Feist, Raymond - Krondor-Saga 3
Jazhara.
»Aber welches Schiff ist es denn nun?«, fragte Kendaric.
»Das da natürlich, Ihr holzköpfiger Narr«, sagte Solon und deutete auf eines der Wracks.
»Und woher wollt Ihr das wissen?«
James lachte. »Weil es das Schiff ist, das die Elementargeister bewacht haben!«
Solon schloss für einen kurzen Moment die Augen.
»Und außerdem kann ich spüren, dass da unten etwas ist.«
»Was denn?«, fragte der Geselle der Wrackberger-Gilde.
»Das, weswegen wir hierher gekommen sind und was wir uns zurückholen wollen«, entgegnete der Mönch.
»Nun gut«, sagte Kendaric. »Gebt mir jetzt bitte die Schriftrolle.«
Jazhara nahm ihren Rucksack ab und öffnete ihn. Sie griff hinein und zog die Schriftrolle heraus, die sie mit sich herumgetragen hatte, seit sie und James sie in Kendarics Zimmer gefunden hatten. Der Geselle nahm sie, las und nickte. »Ich könnte es auch alleine tun, Magierin, aber wenn Ihr mir helft, wird alles sehr viel schneller gehen.«
Er deutete auf zwei Textstellen und sagte: »Sprecht diesen Teil der Beschwörung gemeinsam mit mir, und dann noch diese Passage hier. Für eine Magierin mit Eurer Macht musste das einfach sein.«
»Ich habe mir Euren Spruch genau angesehen«, sagte Jazhara ernst. »Ich werde tun, was ich kann, um Euch zu unterstützen.«
Kendaric drehte sich um, sodass er aufs Meer hinausschauen konnte. Dann deutete er mit einer Hand auf den Mast des fraglichen Schiffes und begann zu singen.
Bei der Textstelle, auf die Kendaric gezeigt hatte, fiel Jazhara mit ein, und ihre Stimmen erfüllten die Luft mit mystischen Worten.
An dem Punkt, auf den Kendaric deutete, bildete sich Nebel. Er verschmolz knapp oberhalb der Wasseroberfläche, und die See begann voll mystischer Energie zu brodeln. Ein schrilles Geräusch erfüllte die Luft, und James sah, dass die Mastspitze zu vibrieren anfing.
Schlagartig hörte alles auf. Der Nebel verschwand, das Meer beruhigte sich wieder, und das Schiff hörte auf, sich zu bewegen.
»Ich habe den Eindruck, dass Euer Spruch noch nicht ganz ausgereift ist«, sagte James.
»Nein«, widersprach Jazhara. »Es hat nicht an seinem Spruch gelegen. Ich habe gespürt, dass uns jemand bekämpft hat, während wir die Beschwörung durchgeführt haben. Dieser Jemand ist schuld daran, dass es nicht geklappt hat.«
Kendaric warf einen Blick zu den Felsenklippen hinter ihnen, als würde er versuchen, dort jemanden zu entdecken. »Sie hat Recht. Ich habe es ebenfalls gespürt.«
Auch Solon ließ jetzt seinen Blick über die Klippen hinter ihnen schweifen. »Dann müssen wir herausfinden, wer sich da eingemischt hat. Denn wenn wir es nicht tun, gerät der gesamte Ishap-Orden in Gefahr, und eines seiner größten Geheimnisse könnte in die Hände des Feindes fallen.«
Kendaric warf James einen fragenden Blick zu. Ganz offensichtlich wusste er nicht so recht, ob das jetzt eine Übertreibung war oder den Tatsachen entsprach. James erwiderte den Blick mit grimmigem Gesicht.
Kendaric nickte, und dann machten sie sich – Jazhara vorneweg – auf den Weg zurück zu den Pferden.
Haldenkopf war ein kleines Dorf, das nur aus ungefähr einem Dutzend Gebäuden bestand, die sich um eine Kreuzung gruppierten. Die Königliche Straße verlief in Nord-Süd-Richtung von Müllersruh bis Questors Sicht. In Ost-West-Richtung führte sie von der Witwenspitze zu einigen Bauernhöfen, die verstreut in dem Gebiet zwischen dem Dorf und den bewaldeten Gebirgsausläufern lagen.
Im Zentrum des Dorfes gab es ein Gasthaus, das den Namen Seemannsruh trug. Als die Reisenden ins Dorf ritten, sahen sie zwei Männer vor dem Gasthaus stehen, die sich laut stritten.
Der eine – ein Bauer, seiner groben Kleidung nach zu urteilen – brüllte: »Das reicht jetzt endgültig! Sie muss aufgehalten werden! Du hättest sie von den Soldaten töten lassen sollen, als sie hier waren!«
Der andere Mann trug eine gut gearbeitete Tunika und darüber eine ärmellose Jacke. Er war mittleren Alters und ziemlich beleibt. Er brüllte zurück: »Aber du hast keine Beweise, Alton! Willst du nach all dem Elend, das wir schon durchgemacht haben, tatsächlich noch mehr verursachen?«
»Wenn du so weitermachst, Toddy, wirst du nicht mehr lange Bürgermeister sein. Zur Hölle, wenn du so weitermachst, wird es bald auch kein Dorf mehr geben.
Lyle hat mir erzählt, dass –«
James und seine Gefährten zügelten ihre Pferde, und der Mann namens Toddy unterbrach sein Gegenüber. »Lyle ist ein Säufer!
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