Feist, Raymond - Krondor-Saga 3
bevor er antwortete. »Es ist mir eine Freude, Euch kennen zu lernen, Jazhara. Wo ist Euer Gefolge?«
»Auf den Gütern meines Vaters am Rande der Wüste Jal-Pur. Ich hatte in Stardock keine Bediensteten, und ich habe auch für die Reise hierher um keine ersucht. Ich bin der Ansicht, dass es den Willen schwächt, wenn man für alles Bedienstete zur Hand hat. Seit ich begonnen habe, die mystischen Künste zu studieren, reise ich allein.«
James sah in der Verfügbarkeit von Bediensteten einen entscheidenden Pluspunkt des prinzlichen Haushalts; es war überaus angenehm, immer jemanden um sich zu haben, den man für Botendienste einsetzen konnte – oder auch dafür, etwas zu besorgen. Er war nun peinlich berührt, als ihm aufging, dass er einen Trupp Soldaten hätte anfordern sollen, um ihn und Jazhara zurück zum Palast zu eskortieren; das stand ihr ihrem Rang gemäß zu, aber er hatte vermutet, dass sie ihre eigenen Leibwächter dabeihaben würde. Doch wenn sie von sich aus nichts dazu sagte, würde er es auch nicht tun. Daher erklärte er nur:
»Ich verstehe, was Ihr meint. Wenn Ihr wollt, können wir Euer Gepäck in der Obhut dieser Wachen zurücklassen, und ich werde dafür sorgen, dass es am Morgen zum Palast gebracht wird.«
»Das klingt gut. Wollen wir also gehen?«
Er entschloss sich, auf Abkürzungen zu verzichten und sich stattdessen an die breiteren Durchgangsstraßen zu halten. Auf diese Weise würde es zwar ein bisschen länger dauern, bis sie den Palast erreichten, aber es würde die Sache sicherer machen. Er vermutete zwar, dass Jazhara nicht nur mit ihrem Stab umzugehen wusste, sondern außerdem auch noch über einige hässliche magische Tricks verfügte, aber die doch geringe Zeitersparnis war es nicht wert, das Risiko eines Zwischenfalls einzugehen, der ihrer fremden Nationalität wegen ganz sicher weit reichende Bedeutung haben würde.
»Was denkt Euer Großonkel über Eure Berufung an diesen Hof?«, fragte James. Er war insgeheim zu dem Entschluss gekommen, dass es am besten war, direkt zu sein.
Jazhara lächelte. »Ich weiß es nicht, aber ich vermute, dass er nicht sehr glücklich darüber ist. Schließlich war er schon unglücklich, als ich es vorzog, trotz der Einwände meines Vaters in Stardock zu studieren, statt einen geeig-neten jungen Lord zu heiraten. Ich fürchte, er ist dadurch in eine ziemlich düstere Stimmung geraten.«
James lächelte. »Da ich Euren Großonkel von ein paar Gelegenheiten her kenne, kann ich gut verstehen, wenn Ihr seine gute Seite vorzieht.«
Jazhara schürzte leicht die Lippen, bevor sie antwortete.
»Für die Welt ist er der mächtige Lord Hazara-Khan, ein Mann, den all jene fürchten müssen, die ihre eigenen Interessen über die des Kaiserreichs stellen. Für mich ist er Onkel Rachman – ich habe ihn ›Raka‹ genannt, weil ich seinen Namen nicht aussprechen konnte, als ich klein war
–, und er kann mir nur wenig abschlagen. Er wollte mich mit einem unbedeutenden Prinzen des Kaiserlichen Hauses verheiraten, einem entfernten Cousin der Kaiserin, aber als ich damit drohte, wegzulaufen, wenn er mich in den Süden schickt, ließ er sich schließlich erweichen.«
James lachte in sich hinein. Sie umrundeten eine Ecke und bogen in eine breite Prachtstraße ein, die sie schließlich zum Palast führen würde.
Schon nach wenigen Minuten stellte James fest, dass er die Gesellschaft der jungen Frau aus Kesh genoss. Sie war aufgeweckt, aufmerksam, hatte scharfe Augen und war geistreich. Ihre Scherze waren klug und unterhaltsam; ihnen fehlten die bitteren, hässlichen Spitzen, die man so oft bei den Adligen am Hofe ertragen musste.
Unglücklicherweise war sie sogar zu unterhaltsam: James wurde plötzlich klar, dass er ein paar Straßen zuvor, ohne nachzudenken, um eine Ecke gebogen war, und jetzt waren sie in dem Gebiet, das zu durchqueren er gerade hatte vermeiden wollen.
»Was ist los?«, fragte Jazhara.
James drehte sich zu ihr um und grinste sie an; sein Grinsen war in dem schwachen Lichtschein der in einiger Entfernung vor einer Schänke hängenden Laterne kaum zu erkennen. »Ihr seid sehr scharfsinnig, Mylady.«
»Das gehört zu meiner Arbeit, Junker«, antwortete sie.
In ihrer Stimme schwang eine Mischung aus Ausge-lassenheit und Vorsicht mit. »Ist irgendetwas nicht in Ordnung?«
»Ich bin so in unser Gespräch vertieft gewesen, dass ich abgebogen bin, ohne nachzudenken – und jetzt befinden wir uns in jenem Teil der Stadt, den man um diese
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