Feist, Raymond - Krondor-Saga 3
sonst arbeiten sie nur noch langsamer. Ich werde gleich mit meinem Herrn zurückkehren.«
Der Mann eilte quer durch den großen Raum und verschwand durch die Tür an der Rückseite. Einige Minuten später kehrte er – von einem zweiten Mann begleitet – zurück. Der Neuankömmling war ganz offensichtlich ein Kaufmann, doch an seinem Gürtel hing ein gekrümmtes Wüstenschwert – ein Krummsäbel. Er trug eine im Königreich gebräuchliche Tunika und eine Hose, hatte dazu jedoch die traditionelle Kopfbedeckung eines Wüstenbewohners gewählt, einen Turban aus schwarzem Stoff; das Ende hatte er über die linke Schulter geworfen.
Der Mann hatte einen dunklen Bart und die dunkle Hautfarbe von Jazharas Landsleuten, und wie um diese Tatsache zu bestätigen, trat er zu ihnen und begrüßte sie mit den Worten: »Friede sei mit euch.« Das war der traditionelle Gruß der Bewohner von Jal-Pur.
»Friede sei auch mit Euch«, erwiderte Jazhara.
»Willkommen in meinem Arbeitshaus, meine Freunde.
Mein Name ist Yusuf ben Ah. Wie kann ich euch dienen?«
James warf einen Blick auf die arbeitenden Kinder.
»Wir haben gehört, wie hier gearbeitet wird. Das Haus wird geschlossen.«
Falls der Mann von dieser Ankündigung überrascht war, so zeigte er es zumindest nicht. Er lächelte nur. »Ach, ihr habt also etwas gehört, ja? Und was genau habt ihr gehört?«
»Wir haben gehört, welche Arbeitsbedingungen hier herrschen und wie Ihr die Kinder behandelt«, sagte Jazhara.
Yusuf nickte. »Lasst mich raten: Ihr habt es von einem jungen Mädchen gehört. Sie ist gerade einmal zehn Jahre alt, stimmt’s? Oder war es diesmal ein kleiner Junge?«
»Was wollt Ihr damit sagen?«, fragte James.
»Mein werter Herr, man hat Euch angelogen. Meine Konkurrenten haben damit angefangen, Kinder zu bezahlen, damit sie an Wachen und andere ehrbare Bürger herantreten. Sie erzählen ihnen Geschichten über die
›schrecklichen Geschehnisse in Yusufs Laden‹. Danach verschwinden sie. Dann wird mein Laden ein paar Tage lang geschlossen, während Männer des Prinzen die Angelegenheit untersuchen, und meine Konkurrenten reiben sich die Hände.«
»Aber wir sehen die hier herrschenden Arbeitsbedingungen doch mit eigenen Augen«, sagte Jazhara.
Ben Ali warf einen Blick zu den zerlumpten Kindern hinüber und schüttelte sanft den Kopf. »Meine liebe Landsfrau, ich mag vielleicht nicht in der Lage sein, so für die Kinder zu sorgen, wie ich es gern tun würde, aber auch ich habe ein Herz. Sie haben ein Dach über dem Kopf und bekommen warmes Essen und Kleidung. Es mag nicht der Überfluss sein, an den Ihr wahrscheinlich gewöhnt seid, aber, wie die weisen Männer uns gelehrt haben, ist Armut die Nahrung des rechtschaffenen Menschen, während der Luxus ein langsam wirkendes Gift sein kann.« Er neigte den Kopf in Richtung der Kinder. »Heute Nacht müssen wir noch spät arbeiten. Dies ist in meinem Geschäft nichts Ungewöhnliches, aber ich versichere Euch, dass diese Kinder in den meisten Nächten tief und ruhig schlafen.
Wenn diese Ladung fertig ist, werde ich sie zu Bett schicken, und sie werden morgen frei haben und können ausschlafen. Und wenn sie aufwachen, werden sie den Tag frei haben, um ausruhen und spielen zu können. Was sollte ich Eurer Meinung nach sonst noch für sie tun? Sie zurück auf die Straße schicken?«
Kinder, die arbeiten mussten, um ihre Familie zu unterstützen, waren nichts Neues im Königreich. Aber das hier roch verdammt nach einer Art von Sklaverei, und James war noch nicht davon überzeugt, dass dieser Yusuf wirklich das war, was er zu sein vorgab. »Was ist da oben?«, fragte er und deutete auf die Treppe an der Seitenwand.
»Ach, das Obergeschoss wird gerade ausgebaut – wir erweitern. Im Augenblick wäre es zu gefährlich, es sich anzusehen, aber wenn es fertig ist, wird es unsere Kapazität vergrößern. Unter anderem wird es auch bessere Unterkünfte für die Kinder geben.«
James öffnete den Mund, um die nächste Frage zu stellen, doch Jazhara kam ihm zuvor. »James, könnte ich vielleicht einen Augenblick allein mit Yusuf ben Ali sprechen?«
James war überrascht. »Warum?«
»Bitte.«
James blickte von Jazhara zu Yusuf und meinte dann:
»Ich werde draußen warten.«
Nachdem er das Gebäude verlassen hatte, senkte Jazhara die Stimme. »Ihr arbeitet für meinen Großonkel?«
Yusuf verbeugte sich leicht. »Ja, Verwandte von Hazara-Khan, das tue ich. Und ich wollte allein mit Euch sprechen. Ihr habt
Weitere Kostenlose Bücher