Feist, Raymond - Krondor-Saga 3
sein konnte, gewissenhaft um. Nach einer Stunde verkündete er: »Ich glaube nicht, dass hier noch irgendetwas ist.«
Jazhara hatte sorgfältig die Papiere gelesen, die sie in Yusufs Büro gefunden hatten. »Hier gibt es genug, das eine gründliche Untersuchung von Seiten meines Großonkels rechtfertigen würde«, sagte sie. »Dieser Versuch, ihm meinen Tod in die Schuhe zu schieben, um ihn zu diskreditieren … das hätte praktisch einen Bürger-krieg im Norden des Kaiserreichs bedeutet, denn die Wüs-tenstämme hätten gewusst, dass es sich um eine falsche Anschuldigung handelt.«
»Aber die Kaiserin und ihre Ratgeber in der Stadt Kesh hätten es vielleicht geglaubt.«
Jazhara nickte. »Wer auch immer dieser Kriecher ist, er versucht, einen Vorteil aus der Konfrontation unserer Völker zu ziehen, James. Wer könnte bei solch einem Chaos etwas gewinnen?«
»Oh, da gibt es eine lange Liste«, erwiderte James. »Ich werde es Euch eines Tages mal erzählen. Jetzt sollten wir sehen, dass wir endlich zum Palast kommen. Es bleibt Euch nicht mehr viel Zeit, Euch etwas auszuruhen, umzuziehen und etwas zu essen, bevor Ihr mit Prinz Arutha bekannt gemacht werdet.«
Jazhara schaute sich noch ein letztes Mal in dem Raum um, als würde sie versuchen, sich bestimmte Einzelheiten einzuprägen, dann hob sie ohne ein weiteres Wort ihren Stab und schritt entschlossen auf die Tür zu.
James zögerte einen winzigen Augenblick, dann eilte er hinter ihr her. »Werdet Ihr Eurem Großonkel eine Botschaft schicken?«, fragte er, als er sie eingeholt hatte.
»Aber gewiss. Dieser Kriecher ist möglicherweise ein Keshianer, und das, was hier in Krondor geschieht, ist vielleicht nur ein Teil einer weit größeren Intrige. Es ist eindeutig, dass mein Großonkel sich in Gefahr befindet.«
»Nun, da wäre auch noch der Prinz«, sagte James.
»Oh.« Jazhara starrte James an. »Glaubt Ihr, er würde es nicht gutheißen, wenn mein Großonkel eine Warnung erhält?«
James berührte sie leicht an der Schulter. »Das ist es nicht. Es ist nur …«
»Eine Frage der Politik«, beendete sie den Satz.
»So etwas in der Art«, sagte James. Sie bogen um eine Ecke. »Es könnte sein, dass Arutha es nicht problematisch findet, Eurem Großonkel von dieser Entdeckung zu berichten, aber verlangt, dass Ihr gewisse Tatsachen weglasst – wie zum Beispiel die, wie Ihr an diese Informationen gekommen seid.«
Jazhara lächelte. »Ich sollte also besser nicht enthüllen, dass wir wissen, dass Yusuf ganz offensichtlich ein Agent war, der im Auftrag von Groß-Kesh gearbeitet hat?«
James grinste. »Ja, etwas in der Art«, erwiderte er.
Sie gingen weiter, und nach einer Weile fügte sie hinzu:
»Vielleicht könnten wir einfach sagen, dass wir mit einem illegalen Sklavenring zu tun hatten und bei dieser Gelegenheit ein Komplott entdeckt haben, bei dem es darum ging, mich umzubringen und meinem Onkel die Sache anzuhängen – mit dem Ziel, ihn als Gouverneur der Jal-Pur zu entfernen.«
»Genau das habe ich mir auch gedacht.«
Jazhara lachte. »Macht Euch keine Sorgen, mein Freund. Politik ist allen keshianischen Adligen, die nicht vom Wahren Blut sind, zur zweiten Natur geworden.«
James runzelte die Stirn. »Ich habe diesen Begriff schon ein-, zweimal gehört, aber ich muss zugeben, dass ich nicht genau weiß, was er bedeutet.«
Jazhara bog um eine Ecke. Mittlerweile befanden sie sich auf dem direkten Weg zum Palast. »Dann müsst Ihr die Stadt Kesh und den Hof der Kaiserin besuchen. Ich kann Euch Dinge über Kesh erzählen, die so lange keinen Sinn für Euch ergeben, bis Ihr sie mit eigenen Augen gesehen habt. Die Keshianer vom Wahren Blut, diejenigen, deren Vorfahren als Erste Löwen im Grasland um Overn gejagt haben, gehören dazu. Worte allein würden ihnen niemals gerecht werden.«
Ein Hauch von Ironie – oder Bitterkeit – schwang in ihrer Stimme mit; James hätte nicht sagen können, was es war, aber er entschloss sich, die Angelegenheit zunächst nicht weiterzuverfolgen. Sie verließen den Bezirk, in dem die Kaufleute lebten, und kamen ins Palastviertel.
Als sie sich den Toren des Palastes näherten, warf Jazhara einen Blick zu dem gegenüberliegenden Gebäude und bemerkte den einsamen Wächter, der dort stand. »Eine ishapianische Enklave?«, fragte sie.
James musterte den kräftigen Mann, der reglos auf seinem Posten stand, einen mörderisch aussehenden Kriegshammer im Gürtel. »Ja. Wobei ich keine Ahnung habe, was sie
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