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Feldpostnummer unbekannt

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Titel: Feldpostnummer unbekannt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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laufenden Band, denn Köpfe mußten rollen für den Sieg. Die Richter des Gremiums, das gegen den Postbeamten Arthur Kleebach zusammengetreten war, galten als glatter Durchschnitt, waren nicht schärfer als der Ruf der Sonderrichter, aber auch nicht humaner. Schließlich brauchten die Männer in den dunklen Roben mit dem Hakenkreuz die Todesurteile in ihren Statistiken wie die Rüstungsfabriken Produktionsziffern.
    Ein Schwarzschlächter war mit fünf Jahren Zuchthaus davongekommen, ein Schwarzhörer wurde dem Fallbeil von Plötzensee ausgeliefert. Und nun war der Fall Kleebach an der Reihe. Der Angeklagte wurde aus der Untersuchungshaft vorgeführt. Er wirkte schmächtig, hatte ein Gesicht fast ohne Farbe, mit zerknitterter, lederner Haut, sein Blick war nach innen gekehrt, so als ob sein Bewußtsein gar nicht erfaßt hätte, daß es hier in einer einstündigen Verhandlung um seinen Kopf ginge.
    Er sah zum Fenster hinaus. Der Tag war trüb, leichter Regen schlug gegen die verschmutzten Fensterscheiben. Die müßten einmal gewaschen werden, dachte Arthur Kleebach … Gut, daß Maria doch so vernünftig war, nicht zur Verhandlung zu kommen. Und Thomas muß auch schon wieder an die Front- und ich habe ihn nicht einmal sehen dürfen. Dreimal verwundet im Krieg, nun können sie ihn doch endlich in der Heimat lassen. Und selbst Freddy hat es nun erwischt, er ist abgestellt worden, ganz plötzlich ohne Urlaub. Und von Achim noch immer keine Post. Und Stalingrad von den Russen erobert … Und jetzt totaler Krieg, aber vielleicht sind doch einige in Gefangenschaft geraten – bei Fritz, dem Flieger, sah es ja auch zuerst viel schlimmer aus. Hauptsache bleibt, daß Maria es halbwegs durchsteht. Das kranke Herz – um Gottes willen – und jetzt auch noch die Sache mit mir …
    »Angeklagter«, sagte der Vorsitzende mit forscher Stimme.
    Arthur Kleebach schrak aus seinen Gedanken hoch, er betrachtete den Mann in der Mitte, als sähe er ihn zum erstenmal, und er suchte seine Augen und konnte sie nicht finden, weil sie sich hinter den dicken Rändern einer Brille versteckten. Der Vorsitzende mußte stark kurzsichtig sein.
    »Angeklagter, haben Sie verstanden, was Ihnen die Anklage zur Last legt?«
    »Ja«, erwiderte Arthur Kleebach.
    »Die Beschuldigungen gegen Sie sind in der Voruntersuchung durch Zeugen belegt. Bestreiten Sie die Äußerungen?«
    »Nein«, versetzte Arthur Kleebach ruhig.
    »Sie geben also zu, den Führer einen …«, er distanzierte sich durch ein deutliches Räuspern von der Aussage, »den Führer als einen … äh … Lumpen, Gauner und Verbrecher bezeichnet zu haben?«
    Der Angeklagte schwieg.
    »Bekennen Sie sich wenigstens zu Ihrer Tat«, donnerte ihn der Vorsitzende an.
    »Das habe ich gesagt«, erwiderte Kleebach, »aber …«
    »Kein aber«, brüllte der Richter. »Sie wagen es, dem Schicksalskampf des ganzen deutschen Volkes in den Rücken zu fallen und das Blutopfer, das unsere Söhne auf den Schlachtfeldern Europas …«
    Das verstand Arthur Kleebach. Die Blutopfer hatte er gebracht, und das hatte sogar der Staatsanwalt in seiner Anklageschrift als Andeutung mildernder Umstände durchschimmern lassen, vielleicht, um den Sonderrichtern eine Chance zu lassen, ein Leben weniger auf das Gewissen zu nehmen, soweit vorhanden.
    »Sie hatten also getrunken?« sagte der Vorsitzende in etwas ruhigerem Ton.
    »Ja. Zu Hause auch schon.«
    »Wieviel?«
    »Ein Glas Wein vielleicht.«
    Arthur Kleebach hörte nicht die Spannung, die im Saal knisterte, er sah nicht das verzweifelte Zeichen, das sein Pflichtverteidiger ihm gab, er nahm nicht das Seil in die Hand, das man ihm zuwarf als letzte Chance, sich auf das Trockene zu ziehen.
    »Und dann in der Wirtschaft – was haben Sie da getrunken?«
    »Zwei Schnäpse.«
    »Große?« fragte der Vorsitzende.
    »Weiß ich nicht mehr«, erwiderte Kleebach.
    Der Verteidiger sprang ein. »Angeklagter«, fuhr er ihn an, »denken Sie mal ganz scharf nach. War es vielleicht doch mehr?«
    »Das weiß ich bestimmt«, versetzte Arthur Kleebach hartnäckig. Einmal lag ihm das Lügen nicht, und zum zweiten war er noch immer zu unpolitisch, um von der Gefährlichkeit des Systems etwas zu verstehen, und zum dritten war ihm ohnedies alles gleichgültig geworden … Wenn nur Marias Herz …
    Der Verteidiger und der Vorsitzende tauschten einen Blick miteinander aus, und es war, als ob sie beide die Achseln zuckten. Selbst der Staatsanwalt schien den Fall Kleebach schon

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