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Feldpostnummer unbekannt

Feldpostnummer unbekannt

Titel: Feldpostnummer unbekannt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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nicht selten vor, daß Gefangene während der Nacht zwei-, dreimal geschnappt und wieder befreit wurden. Auch auf eine deutsche Kampfgruppe zu stoßen, war gefährlich. Sie konnte die erbeuteten Marks ganz richtig als Ziel ansprechen und zusammenschießen, bevor noch der Irrtum geklärt war.
    Kleebach lehnte im offenen Turm und rauchte wie ein Schlot. In seinem Bewußtsein wechselten sich Spannung und Stumpfsinn ab.
    Gewiß freute er sich über seinen Streich. Aber er blieb fatalistisch, weil er sich sagte, daß er schließlich bloß Schwein gehabt hätte.
    Das Afrika-Korps war ein Haufen besonderer Art, der eigentlich mehr für Erwin Rommel als für Adolf Hitler kämpfte. Genau gesehen ließen sie den Fhj-Feldwebel Kleebach alle beide kalt. Genauer betrachtet lebte er von dem Traum, sich die Uniform vom Leib zu reißen, und das so bald wie möglich. Ganz genau gesehen war der älteste Sohn des Oberpostschaffners Kleebach ein überzeugter Zivilist und zudem der einzige in der Familie, der politisches Profil hatte.
    Kurz vor der Machtergreifung war Thomas als Sechzehnjähriger gegen den Willen seines Vaters zur sozialistischen Jugend gestoßen, hatte Versammlungen besucht und Plakate geklebt, was er vielleicht heute selbst als Jugendverirrung wertete. Es war Gras über die Geschichte gewachsen. Aber sie hatte Thomas gegen die Versuchungen der braunen Bewegung immun gemacht. Im übrigen bewies er sich in seinem Beruf, kam rasch voran und half als junger Ingenieur so selbstlos wie selbstverständlich aus, wenn die Decke, nach der sich die Kleebachs streckten, wieder einmal zu kurz war.
    Und dann hatte der Krieg begonnen, und Thomas zog, wortlos wie immer, die Uniform an, um an dem von Hitler erzwungenen Opferkrieg seines Volkes teilzunehmen. Er strebte nicht nach militärischen Ehren und Rängen, aber mit der ihm eigenen Tüchtigkeit avancierte er rasch zum Fahnenjunker-Feldwebel, dem man für diesen Einsatz umständehalber sogar eine Kompanie anvertraut hatte.
    Das alles schoß ihm jetzt durch den Kopf, und er mußte über sich selbst lächeln. Dann nahm ihm die Sorge, seine Leute heil nach hinten zu bringen, jede unnötige Überlegung ab.
    Die Spannung wuchs von Meter zu Meter. Sie war schon an den überflüssigen Funkmeldungen zu erkennen, die laufend durchgegeben wurden. Sie machten sich gegenseitig verrückt, sahen Schatten, die keine waren, hörten Geräusche, die ihnen nur die Nerven vorgaukelten, und fürchteten Ausbrüche, die sich als Hirngespinste erwiesen, bis Thomas Kleebach den Sprechverkehr auf das Mindestmaß beschränkte. Im übrigen sah er auf die Uhr und wünschte sich sehnlichst, daß der Tag oder die Deutschen kämen.
    Nichts rührte sich. In einer Stunde würde das Licht aufgehen, so plötzlich, wie auch die Nacht kam, denn Afrika kennt keine Dämmerung. Und dann stand Kleebach mit seinem schwerfälligen Troß als nackte Zielscheibe in der Wüste, vielleicht nur ein paar hundert Meter vom Feind entfernt.
    »Halt!« befahl er.
    Er nahm seine Beute in die Mitte und ließ Front in Generalrichtung Feind machen. Er igelte sich ein, so gut er konnte. Und dann wagte er zum erstenmal, Funkverbindung nach außen aufzunehmen.
    Keiner sagte ein Wort. Alle fieberten dem Tag entgegen. Die Beutezigaretten schmeckten auch nur nach Nikotin. Und vor Corned beef ekelte ihnen schon, bevor sie die Büchsen geöffnet hatten. Auf die Funkmeldungen kam keine Antwort. Aber der Tommy hatte sie jetzt mit Sicherheit angepeilt und setzte vielleicht eine ganze Panzerbrigade auf Kleebachs Gruppe an.
    Wie mit einem Zauberschlag kam die Sonne, heiß und schneidend bleichte sie den Sand und dörrte sie die Kehlen aus. Zwanzig Minuten. Fünfundzwanzig jetzt. Die Zeit gab sich lässig und faul. Die Uhren gingen anders in der Wüste als in Berlin, London oder Rom. Die Zeit kroch auf Kamelbeinen, und wenn man nach ihr greifen wollte, erwies sie sich als Fata Morgana. Die Gefangenen wurden unruhig. Sie rechneten damit, von ihren Kameraden wieder herausgehauen zu werden, aber sie erwarteten es in der dumpfen Ergebenheit von Menschen, die nicht wissen, ob sie es überleben würden.
    Neben Kleebach kauerte zusammengesunken der britische Major an dem Platz, der eigentlich dem Bordmechaniker zustand. Er hatte einen roten Tomatenkopf, blasse schmale Lippen, und starrte auf den Boden. Er konnte sich nicht beruhigen und murmelte immer wieder vor sich hin: »O damned … goddamned!«
    Kleebach bot ihm eine Zigarette an, eine Sondermischung,

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