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folgte ihr, stand vor Marion, leicht herabgebeugt, mit hängenden Armen, stand da, beglückt, wie gelähmt, wie einer, der vor dem Eingang des Paradieses stockt, weil er in plötzlicher Platzangst nicht weitergehen kann.
»Sieh mich an!« sagte Marion, »und starr nicht immer auf den dämlichen Baum da hinten!«
Ihr Gesicht war ihm jetzt so nahe, daß ihn ihr Atem streifte. Ihre Augen waren keine Irrlichter mehr, sondern Sterne. Und Böckelmann hätte alles dafür gegeben, wenn er nach ihnen greifen dürfte. Und er wollte es, und wagte es nicht. In seiner Brust tobte ein Sturm, aber seine Hände blieben ganz ruhig.
So lange, bis Marion ihre Arme um seinen Hals schlang und sich an ihn drückte, als sie ihn küßte und er endlich begriff, daß sie ihn wollte. Als er ihre spröde Zärtlichkeit schmeckte, da erst zog er sie fest an sich zu einer Umarmung, die nie wieder enden sollte, und er war dabei beglückt und verzweifelt, leer und erfüllt; er hatte gesiegt und war doch erobert worden …
Man biß nicht mehr in das Gras, sondern in den Sand. Das hatte Fahnenjunker-Feldwebel Thomas Kleebach schon beim Ausladen in Tripolis festgestellt, als er seinen Fuß erstmals auf afrikanischen Boden setzte. Die Überfahrt von Neapel durch das Mittelmeer, das die Italiener kühn ›il mare nostro‹, unser Meer, nannten, obwohl es zwischen Gibraltar und Malta von britischen Flugzeugen und Schiffen nur so wimmelte, war stürmisch verlaufen.
1941. Der Krieg deutete noch immer auf einen deutschen Sieg. Aber unten in Nordafrika sah es schlecht aus. 33.000 entschlossene Tommies hatten von der ägyptischen Grenze her 200.000 Italiener 1.200 Kilometer weit durch die Wüste gejagt und sie aus der Cyrenaika hinausgeworfen. Hitler mußte etwas tun, um den Duce aufzumuntern. Und so schickte er zunächst eine einzige, kümmerliche Division als Vorhut des späteren Afrikakorps.
Der Bataillonskommandeur rief seine Männer zusammen. Hauptmann von Klingenstein war munter und zuversichtlich wie immer.
»Was los ist, weiß ich auch nicht …«, sagte er gleichmütig, »ihr flitzt einfach los und seht zu, daß euch ein paar Tommies vor die Flinte kommen, knallt sie ab …« Der schlaksige, drahtige Offizier kratzte sich am Kinn, »und wenn's geht«, setzte er hinzu, »bringt mir ein paar englische Zigaretten mit … ich kann diesen Dreck von Sondermischung nicht mehr rauchen …«
»Jawohl«, entgegneten seine Männer.
»Kleebach«, wandte sich der Bataillonskommandeur an den Feldwebel, »Sie übernehmen die erste Kompanie … ich hab' keine Offiziere mehr … also führen Sie gefälligst die Reste vergangener Pracht …«
»Jawohl, Herr Hauptmann«, erwiderte Thomas Kleebach mäßig stramm.
Darauf wurde in Afrika kein Wert gelegt. Es war ein Kriegsschauplatz besonderer Art, an den er sich jetzt gewöhnen mußte. Front war die Wüste und die HKL gleichzeitig vorne, hinten, links und rechts. Wo der Feind saß, mochte vielleicht der Teufel wissen, aber kein General, Offizier oder Landser hätte es genau sagen können.
Sieben Panzer rumpelten los. Ihre Besatzungen waren ganz zufrieden mit dem Einsatz, denn wenigstens froren sie heute Nacht nicht in den überheizten Stahlkästen. Noch zufriedener zeigten sie sich mit Feldwebel Kleebach, der beim Saufen eine Niete und am Feind goldrichtig war.
Die meisten von ihnen waren alte Hasen und trotzdem Anfänger im Wüstenkrieg. Sie hatten noch keine richtige Tropenuniform und nicht die mindeste Erfahrung. Zunächst kämpften sie gegen Hitze, Kälte, Staub, Durst, Skorpione, Malaria, Sandflöhe und Hyänen, die nachts um ihre gefallenen Kameraden herumschlichen. Sodann kämpften sie gegen Australier, Neuseeländer, Inder, Südafrikaner und Briten – und nicht zuletzt kämpften sie gegen die mangelnde Zuverlässigkeit ihrer italienischen Waffenbrüder.
Feldwebel Kleebach grinste vor sich hin. Die Italiener sind vielleicht nicht die besseren Soldaten, dachte er, aber die klügeren Menschen, denn sie haben kapiert, daß der glänzendste Sieg nichts nützt, wenn man vorher gefallen ist …
Die Nacht war finster, als wollte der Himmel nichts mit dem tückischen Wüstenkrieg zu tun haben. Die Panzer fuhren hintereinander. Kleebach an der Spitze. Er konnte sich auf seine Leute verlassen, wie sie sich auf ihn.
»Der quatscht nicht viel«, sagte ein Unteroffizier von ihm, »befiehlt nie etwas Unnötiges, hat Mumm und verlangt nichts, was er nicht selber tut.«
Sie fuhren nach dem Kompass. Die
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