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Feldpostnummer unbekannt

Feldpostnummer unbekannt

Titel: Feldpostnummer unbekannt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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Zigarettenkippe.«
    »Wollen Sie mich einsperren?« fragte der Offizier belustigt.
    »Nein, Herr Oberleutnant.«
    »Also, was wollen Sie dann?« fragte der Alte barsch.
    »Mein Bruder ist Ritterkreuzträger«, begann Achim umständlich. »Respekt.«
    »Bitte um Versetzung in die Panzerkompanie meines Bruders.«
    »Wollen Sie sich drücken?«
    »Nein, bewähren, Herr Oberleutnant.«
    Der Kompaniechef dachte lange und gründlich nach. Schließlich war Kleebach bisher nur durch Übereifer aufgefallen.
    »Gut«, antwortete der Offizier, »ich bin kein Unmensch, der sich Ihrem Familienkränzchen in den Weg stellt … ich werde das weiterleiten … Hau'n Sie ab!«
    Kleebach riß noch eine stramme Ehrenbezeigung.
    »Und jetzt«, rief ihm der Offizier nach, »melden Sie mich beim Spieß wegen der Zigarettenkippe!« Er genoß Achims belämmertes Gesicht. »Das ist ein Befehl!«
    Zwanzig Sekunden später führte ihn der Panzerschütze aus.
    »Sie wollen mich wohl auf den Arm nehmen?« sagte der Hauptfeldwebel gefährlich leise und musterte ihn mit kleinen Knopfaugen. »Kleebach«, fuhr er dann fort, »damit Sie lernen, wie man mit einem Vorgesetzten umgeht … polieren Sie heute nach Dienstschluß sämtliche Unteroffiziers-Scheißhäuser auf einmal … auf Hochglanz, verstanden?«
    »Jawohl, Herr Hauptfeldwebel«, erwiderte Achim, schloß die Tür von draußen, und war froh mit dem, was er erreicht hatte …
    Die psychologische Kriegsführung überließ nicht mehr den Briefträgern die Zustellung der letzten Nachricht. Herzlose Bürokratie hatte nunmehr neue Richtlinien ausgeheckt, und so kalt sie sich lasen, für Vater Kleebach brachten sie eine spürbare Erleichterung:
    »OKW- Az: B 31 t AWA/WVW (III) Betr.: Benachrichtigung von Angehörigen gefallener, verstorbener und vermißter Wehrmachtsangehöriger. Der Führer wünscht, daß die Nachricht vom Tod oder Vermißtsein eines Wehrmachtsangehörigen den zu benachrichtigenden Familienangehörigen nach wie vor durch den Einheitsführer als ersten und in teilnehmender Form mitgeteilt, aber durch den zuständigen Hoheitsträger der NSDAP überbracht werden soll …
    Dazu ergeht die Anordnung 33/42 und 77/42 der Parteikanzlei:
    1. Es ist von ausschlaggebender Bedeutung, daß bei der Überbringung der Gefallenen- und Vermißtenanzeige der Zweck, den Angehörigen die Nachricht in schonender Weise zu übermitteln, erreicht wird. Sache des Hoheitsträgers ist es, dabei die richtige taktvolle Art und Form zu wählen.
    2. Die Benachrichtigung hat unter allen Umständen in unauffälliger Weise zu geschehen. Deshalb kann, wenn es erforderlich ist, auch Zivil getragen werden.
    3. Es ist nicht notwendig, daß der Ortsgruppenleiter oder sein Vertreter die Nachricht in jedem Fall selbst überbringt. Vielmehr soll der Hoheitsträger hierfür immer die für den einzelnen Fall geeignete Persönlichkeit aus seiner Ortsgruppe aussuchen. Voraussetzung dabei ist, daß die Persönlichkeit absolut zuverlässig ist, selbst Soldat war, an der Front gestanden hat und vor allen Dingen Vertrauen bei den Angehörigen des Gefallenen oder Vermißten genießt. Ist die Nachricht einer Frau zu überbringen, kann auch eine Frau mit beauftragt werden …
    F.d.R. gez. Bormann, Reichsleiter.«
    Oberpostschaffner Arthur Kleebach erhielt die Todesnachrichten jeweils in einem verschlossenen Umschlag, den er bei der Ortsgruppe der Partei ablieferte; er hatte sich mit der Zeit angewöhnt, aus dem Gewicht des Päckchens auf die Zahl der Todesnachrichten zu schließen.
    Pg. Rosenblatt tat ihm leid. Er war alt geworden und brauchte nicht erst einen Wink Bormanns, um Zivil zu tragen. Hatten früher manche über seine senffarbene Uniform gelächelt, so erschraken sie jetzt, wenn er im dunklen Anzug auf sie zukam. Dabei hatte der Ortsgruppenleiter, wie fast jeder in dieser Zeit, seine Sorgen. Sein Einziger stand ebenfalls an der Front.
    »So«, sagte Kleebach, zog den Kopf zwischen die Schultern und wollte rasch gehen. Er war schon an der Tür, als ihn Rosenblatt zurückrief.
    Mit aufgelöstem Gesicht, wie ein drohender, unheimlicher Schatten kam der Funktionär auf ihn zu, wollte etwas sagen, brachte kein Wort heraus. Und Vater Kleebach fühlte in diesem Moment instinktiv, daß der Krieg zum zweitenmal nach seiner Familie gegriffen hatte, stand da wie gelähmt, mit ausgebreiteten Händen, rührendes Fragment der Trostlosigkeit, das sich noch schützend vor seine Angehörigen stellen wollte.
    Arthur Kleebach erfuhr,

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