Feldpostnummer unbekannt
setzte sich zu Tisch.
Maria schöpfte ihm aus, sie sah ihn von der Seite an. »Wieder kein Brief von Fritz?« fragte sie. An dem bewußt nebensächlichen Ton hing die Angst, schwer wie ein Klumpen.
»Nein«, antwortete Arthur Kleebach. Sein Gesicht wurde zornig. »Wenn der schreibfaule Kerl in Urlaub kommt, kann er was erleben!« drohte er. »Uns so lange in Sorge zu lassen!«
Die Mutter nickte mit schwerem Kopf.
»Ich zieh' ihm die Hosen stramm«, schalt der Vater weiter, während er mit einem leeren Blick zum Fenster hinaussah, »Fritz ist mir noch lange nicht über den Kopf gewachsen …«
»Na, na …«, beschwichtigte seine Frau.
Arthur Kleebach aß jetzt, als ob es ihm schmeckte. »Thomas«, wandte er sich an seinen Ältesten, »du siehst jetzt selbst, wie das so ist, zu Hause … mit der ewigen Warterei … Bitte schreib du uns wenigstens, so oft du kannst, wenn du wieder draußen bist.«
»Und wenn's nur eine Zeile ist«, sagte Maria Kleebach.
»Auf mich könnt ihr euch verlassen«, erwiderte der fündundzwanzigjährige Panzerleutnant, stand auf und rauchte während des Essens eine Zigarette, weil ihm vom Magen her eine dumpfe Übelkeit langsam die Speiseröhre hochkam …
Der Pott sah aus, als ob er gleich von selbst untergehen würde, hatte 5.000 Tonnen und war ein Pensionär der Schiffahrt. Aber der Krieg hatte ihn vor der Verschrottung für die Versenkung gerettet. Und so fuhr der Dampfer jetzt nicht mehr als Frachter für Bananen, sondern als Truppentransporter für Hitler.
»Hoffentlich haben die Motten nicht schon seine Haut angefressen«, sagte Achim Kleebach, der Pimpf, als er sich mit 40 Kilo Marschgepäck über die Gangway schleppte. Sonst war der Achtzehnjährige zufrieden – unterwegs zum Afrika-Korps, der Kompanie seines eigenen Bruders, des Ritterkreuzträgers Thomas Kleebach zugeteilt, der von der Versetzung noch nichts wußte.
Die Sonne schien hell, das Meer war blau, die Luft schmeckte nach Salz, nach Sehnsucht, nach Abenteuer; dabei reisten die deutschen Landser fünfter Klasse. Sie wurden so dicht in den unteren Decks und auf Oberdeck zusammengepfercht, daß keiner umfallen konnte.
»Wie die Heringe«, sagte Achim zu seinem Kumpel.
Der Gefreite machte ein bedenkliches Gesicht. »Heringe können wenigstens schwimmen«, erwiderte er, »wenn sie absaufen.«
»Ich auch«, versetzte Achim übermütig.
»Aber nicht bis Bengasi«, schränkte sein Kumpel ein.
Es war einer der deutschen Nachschubkonvois, die von Neapel oder Sizilien aus nach Nordafrika starteten und mitunter mit einer Verlustquote von zwei Drittel durch das Mittelmeer schlichen. »Il mare nostro«, nannten es die Italiener stolz, ›unser Meer‹. Aber es wies einige gefährliche Pickel auf. Gibraltar und Malta, britische Inseln mit Flugplätzen und Seebasen, zwar weit auseinander gelegen, aber für Rommels Nachschub eine Engstelle zwischen Scylla und Charybdis, zumal fast alle abgehenden Truppentransporte von Verrätern, die in Rom saßen, den Briten gemeldet wurden.
Achim Kleebach war mit den letzten an Bord gekommen, und so konnte er an Oberdeck bleiben, nur ein paar Meter von einem Flak-Geschütz entfernt. »He, Kumpel«, rief er einem Kanonier in blendender Laune zu, »Preisfrage: es sieht rot aus, liegt auf dem Dach und pennt … was ist das?«
Der Kanonier tippte sich mit dem Zeigefinger an die Stirn.
»Die Flak«, meckerte ihm Achim nach.
Die anderen verzogen kaum das Gesicht. Sie waren mit ihren Gedanken woanders: die einen noch in den italienischen Nahkampfdielen, die anderen zu Hause, und die Vernünftigen bei der Schwimmweste, die die meisten von ihnen heute zum erstenmal gefaßt hatten.
Eine Stunde später hatte der Geleitzug den Hafen verlassen, voraus ein italienischer Zerstörer, an den Flanken zwei ächzende Geleitfahrzeuge, und in der Mitte vier kurzatmige Transporter, die schon bessere Zeiten gesehen hatten. Die Sicht war klar, die See ruhig; fast keine Dünung. Auf dem endlosen Tiefblau glitzerten silbrige Wellen. Die Möwen drehten bei. Das italienische Festland war nur noch als winziger Strich zu sehen. Die Hitze lähmte die Angst. Die Männer hauten sich auf ihre Klamotten so gut es ging.
»Verdammt!« fluchte Achims Kumpel, »Durst ist schlimmer als Ehe.«
»Schon mal verheiratet gewesen?« fragte Achim den Neunzehnjährigen.
»Ne«, erwiderte der Gefreite großspurig, »aber fast … so gut wie verlobt … na, ich kann dir sagen …«
Er sagte noch vieles, über eine
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