Feldpostnummer unbekannt
Achtzehnjährigen zu harten Kriegern erziehen, und psychologisch betrachtet, ihnen den Abschied vom Heimatkriegsschauplatz erleichtern sollte. In einer Woche spuckte der Kasernenhof die jungen Rekruten an die Front aus; nur die Ausbilder blieben, um neues Menschenmaterial zu schleifen.
»Auf!« brüllte der Feldwebel, der den Zug führte. Weil seine Stimme wie ein Schaumlöscher zischte, hatten ihm seine Rekruten den Spitznamen ›Minimax‹ gegeben.
Jetzt wurde ihm das Brüllen zu beschwerlich. Er griff zur Trillerpfeife. Mit der riesigen Wasserpfütze vorne kam sein großer Moment.
»Hinein!« befahl er, »an der Front könnt ihr auch nicht ausweichen, ihr Waschlappen!«
Der Feldwebel achtete sorgfältig darauf, daß auch der letzte nass bis auf die Haut wurde.
Dann ließ er sie in Linie zu drei Gliedern antreten. »Ach, ihr wollt nicht wie die Geistlichkeit?« fragte er interessiert und griff hinein ins volle Rekrutenleben, stellte drei Soldaten zum Rapport, teilte zehn weitere zur Feuerwache ein und sperrte schließlich gleich für die ganze Kompanie den Ausgang.
Den Rest des Vormittags verteilte der Feldwebel auf Gewehrpumpen, Häschen hüpf, Rolle vorwärts und wieder zurück. Er sah im Hintergrund den Kompaniechef auftauchen und verdoppelte die Anstrengungen seiner Rekruten.
»Gasmaske auf!« befahl er, »Laufschritt!«
Sie trabten los wie gehorsame Roboter, trampelten über einen, der umgefallen war, hinweg.
»Ein Lied!« tobte der Zugführer. Der Laufschritt verwandelte das vielfache Gestöhne in Dreivierteltakt. »Es ist so schön, Soldat zu sein …«, grunzten die Jungen.
»Halt! Gasmaske ab!« Er sah an den Gesichtern entlang, um nach Trotz zu fahnden. »Ihr seid mir ja schöne Bleichgesichter«, sagte er dann. »Haut wie Samt und Seide … Halbkreis!«
Sie überschlugen sich vor Eifer.
Der Feldwebel deutete auf den Lehm. »Bedienen Sie sich, meine Herren«, sagte er betont jovial.
Sie griffen nach dem schmierigen Zeug und zerrieben es im Gesicht, als wollten sie um die Wette Pickel säen.
»Was ist das, Kleebach?« schrie der Zugführer.
»Tarnung, Herr Feldwebel«, rief Achim folgsam.
Die Einheit rückte in die Kaserne ab.
»Die Kompanie steht in zwei Minuten zum Essen!« befahl der Zwölfender.
Sie schaffte es nicht, wie es auch erwartet wurde. Der Spieß hielt Nagelappell ab. Geistesgegenwärtig säuberte Kleebach seine Finger mit der Gabel. Er wollte auch hier nicht auffallen. Er ließ sich aus Überzeugung schleifen. Er wollte ein perfekter Soldat werden. Mochten die anderen Mädchenfotos in ihren Spinden haben, er garnierte ihn mit den Wochensprüchen der Partei. Seit er wußte, daß sein Bruder Thomas das Ritterkreuz hatte, wollte er sich mindestens das Eichenlaub verdienen. Denn er brannte auf Bewährung, und wenn die anderen hundemüde auf den Strohsack fielen, las er noch Führerreden. Achim war das Abziehbild seiner Zeit, in der die Kinder bereits die braunen Parolen wie öligen Lebertran zu schlucken hatten.
Am nächsten Tag meldete sich Achim Kleebach zum Rapport.
»Na, Kleebach?« sagte der Oberleutnant und ging um ihn herum. »Schütze Kleebach beim Rapport!« brüllte Achim stramm.
»Das seh' ich, mein Lieber.« Der Offizier grinste voller Menschenfreundlichkeit.
»Bitte einen Wunsch äußern zu dürfen, Herr Oberleutnant.«
»Wunsch?« fragte der Kompaniechef belustigt, zündete sich eine Zigarette an und zog die Augenbrauen hoch. Er war für die feineren Methoden der Truppenerziehung zuständig, und das hieß: er brüllte nicht, sondern er ließ brüllen. Er hielt seinen Spieß für einen grobschlächtigen Bauernlümmel, der sicherlich bei seiner Einberufung noch die Klosettschüssel mit dem Waschbecken verwechselt hatte, aber er ließ ihm freie Hand. An einem guten Tag konnte dieser Oberleutnant voller Bonhomie sein, um an einem schlechten seine Kompanie noch gemeiner zu schleifen als alle Hauptfeldwebel Großdeutschlands zusammen.
Jetzt betrachtete er Kleebach und ging auf ihn zu. »Darf ich Sie anfassen?«
»Jawohl, Herr Oberleutnant.«
Der Offizier wischte ein unsichtbares Stäubchen vom Waffenrock seines Rekruten. »Stehen Sie bequem«, sagte er dann. Er warf Achim die brennende Zigarette vor die Füße. Der Rekrut bückte sich sofort und legte sie in den Aschenbecher.
»Wer hat Ihnen das befohlen?« fragte der Oberleutnant lauernd.
»Befehl vom Hauptfeldwebel«, schrie Kleebach heraus. »Drei Tage geschärften Arrest für eine brennende
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