Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Feldpostnummer unbekannt

Feldpostnummer unbekannt

Titel: Feldpostnummer unbekannt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
Vom Netzwerk:
Kaleu«, fragte er dann, »und jetzt?«
    Der Offizier feixte. »Zuerst lernt ihr das Schwimmen … und dann das Fürchten.« Er reichte Achim eine Zigarette. »Wissen Sie, wer die anderen drei sind?« fragte er dann.
    »Nein, Herr Kaleu.«
    »Rauchen Sie erst mit Verstand«, entgegnete der Offizier abschließend, »und geben Sie dann Ihre Personalien an … wenn wir zufällig in die Nähe der afrikanischen Küste kommen, setzen wir euch ab … sonst macht ihr eine Luxusreise, gratis und franko …« Er sah, daß Kleebach noch etwas sagen wollte und klopfte ihm auf die Schulter. »Noch was?«
    »Herr Kaleu«, versetzte der Pimpf, »meine Eltern in Berlin … kann man nicht … durch Funkspruch …?«
    »Nee«, lächelte der Offizier kalt, »soweit geht die Liebe nicht, daß ich mir wegen dir noch die ganze britische Mittelmeerflotte auf den Hals hetze …«
    Drei Tage später tat es der junge Kommandant, nicht aus Liebe, aber aus Pflicht oder aus jenem Drang heraus, den er für seine Pflicht hielt. Er hatte einen mäßig bewachten, britischen Convoy ausgemacht, der Panzer für Kairo an Bord hatte. Die Pötte schwammen träge, und das deutsche U-Boot hing sich geduldig an sie, verfolgte sie stundenlang aus gleicher Distanz. In der Dämmerung wollte der Kaleu angreifen.
    In einer halben Stunde. Die Spannung lastete auf dem Boot. Vom Bug bis zum Heck. Surrte in den Ohren, flackerte in den Augen und schwitzte an den Handflächen. Die Männer der Besatzung hatten es vergleichsweise gut; sie standen auf Gefechtsstation, während die vier ›Badegäste‹ sinnlos herumlungerten.
    »Äußerste Ruhe im Schiff!« befahl der Kaleu, »wir greifen an!«
    Der Befehl war überflüssig. Trotz des Surrens der E-Motore konnte man seinen eigenen Atem hören. Mehr geduckt als stehend lehnte Achim an der Wand und sah zu, wie der Torpedo unter seiner Hängematte losgemacht wurde. Von da ab warf ihm das Grauen ein Fangnetz über den Rücken; von da ab fraß ihn die Platzangst stückweise. Er konnte nur noch durch Rippenstöße hin und her bewegt werden.
    »Piß dir nicht in die Hosen, Kumpel!« sagte der Maat, der ihm einen Tauchretter in die Hand drückte.
    »Und wie funktioniert denn das?« fragte Achim mit zu hoher Stimme.
    »Hab' jetzt keine Zeit«, fluchte der Mann, »mach's wie die anderen! … Sowieso alles für die Katz … wenn uns die Wasserbombe erwischt, ist das Ding überflüssig … und kommen wir durch, dann brauchst du's nicht.«
    »Aber warum habt ihr's dann?« rief ihm Kleebach betroffen nach.
    »Zur Nervenberuhigung«, erwiderte der Maat. Er ging weiter. »Halt's Maul jetzt … oder denk an dein Mädchen!«
    Achim hatte kein Mädchen. Aber die Angst machte ihn jetzt willenlos, gefügig wie ein Kind, das immer wieder verspricht, sich künftig besser zu benehmen.
    Während auf der Brücke in kühler Präzision der Angriff eingeleitet wurde, durchsuchte Achim fiebrig sein achtzehn Jahre altes Leben nach einem Mädchen. Verzweifelt wühlten seine Hände die Vergangenheit durch. Nicht einmal ein Mädchen hatte er … und bei der ersten Bewährung mußte er versagen, was seinem Kumpel das Leben kostete … und jetzt, bei der zweiten, als Zaungast bloß, war ihm lähmende Furcht in das Gesicht wie in die Unterhose geschrieben.
    Ein Mädchen, fieberte er.
    Irene in der Tanzstunde, Irene, die er vorher nur im schwarzen Rock und weißer Bluse als BdM-Führerin gesehen hatte … und auf einmal ist sie keine Schaftführerin mehr, sondern eine Siebzehnjährige, auf halbhohen Stöckelschuhen, im dunklen, enganliegenden Kleid, Ausschnitt am Hals, Rouge auf den Lippen, Erwartung in den Augen, Irene, weich und lockend.
    Und er, Achim, hölzern und spröde. Kein Tänzer, bestenfalls ein wippendes Schaukelpferd.
    »Eins, zwo, Wechselschritt«, sagt der Tanzlehrer und schlägt ihn mit der flachen Hand ins hohle Kreuz. »Geschmeidiger!« setzt er hinzu, »Sie marschieren hier nicht auf der Straße, Sie gleiten hier über das Parkett, los, lockerer in den Hüften! Sie sind doch keine Stoffpuppe!«
    Und zum erstenmal ist Achim nicht der Erste wie auf dem Sportplatz, auf der Schulbank, und im Schulungsabend, und er hasst den Tanzlehrer dafür, und er hasst das Mädchen Irene, das ihn so schräg von unten herauf anlächelt, und vergessen hat, daß sie eine Schaftführerin ist, und er hasst alles, was nicht mit der braunen Bewegung zusammenhängt, für die er leben, und notfalls auch sterben will …
    »Rohr I bis IV los!« befahl

Weitere Kostenlose Bücher