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der Kommandant in diesem Moment.
Die Torpedos lösten sich mit einem leichten, kaum spürbaren Ruck vom Boot, zischten dem Ziel entgegen, vier gleich, denn der Kaleu hatte sich entschlossen, einen Fächer abzuschießen.
»Laufzeit 55 Sekunden«, meldete eine sture Stimme.
Alle starrten auf das Zifferblatt. Der Zeiger machte Bocksprünge. Zehn Sekunden noch, und sie umschlossen Leben und Sterben.
Achim merkte es nicht. Sein Gesicht war verzerrt. Sein Körper so steif wie damals. Aber er sagte Worte wie noch nie, zog jetzt Irene an sich, streifte ihre Lippen, roch ihren Atem, und spürte etwas, was stark und brausend in ihm wühlte, so daß er die ganze Bewegung vergaß, und nur Irenes Haar streichelte, und seinen Führer verriet.
»Treffer Backbord!« brüllte die Stimme, die nicht mehr so stur war.
Sie alle spürten den Ruck der Detonation, oder glaubten es wenigstens. Der Kommandant nickte befriedigt, wenn auch noch nicht zufrieden, ließ nachladen und befahl: »Dreimal äußerste Kraft voraus!«
Er hängte sich an den Convoy wie eine Klette, wie eine Zecke. Er tauchte unter einer angreifenden Korvette hindurch und entkam. Er sah, wie ein brennender Frachter mit den Panzern im Meer versank, und er suchte den nächsten. Die Tommies fuhren jetzt wild Zickzack. Er umging sie und lauerte seitwärts. Die nächsten beiden Torpedos gingen daneben, aber der dritte saß und tötete.
Weiter! Verbissen verfolgte der Kommandant den angeschlagenen Convoy. Die ganze Nacht hindurch, dem Tag entgegen, an dem eine vielfache Übermacht das Mittelmeer nach einem deutschen U-Boot umkrempeln mußte, und es nicht mehr um Brutto-Register-Tonnen ging, sondern um das bloße Leben.
Vier Stunden später war auch der zweite Frachter versenkt, aber das Gros des Convoys entkommen. Das deutsche U-Boot war vom Geleitzug abgeschlagen, fuhr auf 120 Meter Tiefe, und versuchte, den Hagel der Wasserbomben zu überleben.
Die ersten krepierten an Steuerbord, aber sie waren zu hoch eingestellt. Zwischen den Pausen der Detonationen war es still, geisterhaft still … Und in diesem Moment hörte man ein leichtes Klicken, so als ob kleine Kieselsteine gegen die Stahlhaut prallten, und da sah sich auch der schnoddrige Maat nach seinem Tauchretter um.
»Heiliger Bimbam!« stöhnte er, »jetzt haben sie uns geortet, diese Schweine …« Er schnaufte tief. Er schloß die Augen, aber er sah trotzdem, was jetzt oberhalb der Wasserfläche vor sich gehen mußte, sah die zwei Korvetten und den einen Zerstörer, die sie bis zur Vernichtung jagten, sah sie heranbrausen, hörte die verbesserten Meßwerte der Ortung, vernahm die Meldung, daß diese widerlichen Drecksdinger jetzt auf die richtige Tiefe eingestellt seien, sah die U-Boot-Jäger jetzt direkt über sich, so dicht, daß er unwillkürlich den Kopf einzog … und dann hörte er bloß noch.
Einschlag rechts. Das Boot pendelte nach links. Einschlag oben. Das Boot ruckelte nach unten, so heftig, daß sich eine Salami von der Decke löste und Achim auf den Kopf fiel.
»Nein!« heulte der Junge und sprang auf. Aber er kam nicht weit. Der Druck der nächsten Explosion schleuderte ihn nach links, und er blieb liegen auf einem Kameraden, der auch wie gelähmt war.
Einschlag unten. Wie von einer Geisterfaust wurde das Boot nach oben geboxt, hing schief im Wasser. Und da krepierte das nächste Geschoß.
Aus. Ruhe. Der Leitende Ingenieur trimmte das U-Boot wieder in die richtige Lage. Es gelang ihm beim zweiten Versuch. Die Männer standen auf und starrten sich an.
Neues Schraubengeräusch.
Der zweite Anlauf. Die nächste Welle. Und wieder die Bomben. Wie viele hatten sie von diesen Scheißdingern an Bord? Genug für zehn deutsche U-Boote. Und eine einzige genügte! Ein lächerlicher Volltreffer, der die Außenhaut aufschlitzte. Und dann kam das Wasser, übermächtig, immer stärker. Wasser, der Sieger, Blut im Wasser …
Die nächste Detonation. Eine Sekunde sah Achim dem Maat in die Augen; ihre Lider zuckten dabei wie die grünliche Notbeleuchtung.
Irene, dachte Achim, während er sich kleinmachte, Irene, dachte er mit verbissener Inbrunst; in den wenigen Minuten zwischen Abwurf und Aufschlag hatte er ein Versäumnis erkannt, das sich nie wieder nachholen ließ.
Die nächste Wasserbombe krepierte dichter an dem U-Boot als alle anderen zuvor. Der Schlag warf die Besatzung durcheinander wie Fallobst. Sie prallten gegeneinander oder knallten mit den Köpfen gegen die Stahlwände. Das Licht ging aus.
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