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»Ich will, daß du mich wie jeden anderen behandelst … und dann bitte ich dich, so rasch wie möglich, um eine Chance der Bewährung … vielleicht ein Stoßtrupp, oder so was …«
Thomas verzog das Gesicht. Nach der ersten Freude des Wiedersehens begriff er die Verantwortung, die ihm durch Achim auferlegt war. Er glaubte hinter dem gläubigen Gesicht des Pimpfs das verstehende Lächeln seiner Mutter zu sehen und ihre Worte zu hören: »Auf dich kann ich mich doch verlassen, Thomas, nicht? Du paßt schon auf ihn auf. Bin ja so froh, daß er in deiner Obhut ist.«
Der Leutnant schenkte zwei Schnäpse ein und drückte Achim ein Glas in die Hand. Er wirkte jetzt ernst, traurig.
Achim merkte es und fragte betroffen: »Was hast du denn?«
»Fritz ist vermißt«, antwortete Thomas hart und ließ seinen Bruder nicht aus dem Blick.
»Fritz?« fragte der Pimpf erschrocken. Er wurde fahl und atmete schwer.
»Ja … Mutter weiß es noch nicht, Vater verheimlicht es ihr …«
»Mein Gott …«, antwortete der Junge. Er ließ den Kopf sinken. Er dachte an Mutter und Vater. »Das ist ja furchtbar …«
Thomas nickte düster.
»Aber wenn der erste Schmerz vorbei ist«, setzte Achim zögernd hinzu, »schließlich kann Mutter stolz auf ihn sein …«
»Stolz auf was?« fragte Thomas mit einer Stimme, die Glas zerkaute.
»Daß er so tapfer …«
»Idiot!«
»Unser Kampf …«
»Halt's Maul!«
»Mit diesem Geist hast du dir das Ritterkreuz nicht verdient«, versetzte der Pimpf gereizt.
»Hau ab!«
»Thomas«, sagte Achim versöhnt, »das mit Fritz geht mir auch unter die Haut … aber es geht ja nicht um einen von uns …«
»Sondern?«
»Um das große Ganze … um den Führer, um Großdeutschland.«
»Mit dem Schmus kommst du bei mir nicht weit«, erwiderte Thomas kalt. Dann legte er den Arm um die Schultern des Jungen und sagte: »Wir sprechen heute Abend weiter … ich muß mich noch um die anderen kümmern …«
»Jawohl, Herr Leutnant«, versetzte Achim mit strammer Ehrenbezeigung.
Thomas sah seinem jüngsten Bruder nach, beglückt darüber, ihn in der Nähe zu haben, aber auch grimmig entschlossen, aus diesem Abziehbild der Zeit einen Menschen zu machen aus Fleisch und Blut, und vor allem mit Verstand …
Damals, am 6. Februar 1941, als das deutsche Afrika-Korps auf italienische Bitte entstanden war als eine Armee auf dem Papier, als eine Fiktion vor dem Ende, schien die Schlacht um Nordafrika bereits für England entschieden. Die Italiener hatten Zeit, Land, Armeen und lebenswichtige Süßwasserquellen verloren. Die britischen Verbände des Generals Wavell standen an der Syrte und holten noch einmal Luft zum letzten Anlauf. Es konnte nur noch eine Frage von Tagen sein, bis die Engländer Tripolis nahmen und die letzten Italiener in das Mittelmeer warfen.
Wenn Hitler schon nicht helfen konnte, wollte er wenigstens dem Duce durch eine Geste seine Verbundenheit bezeigen. Er hatte zwei nicht einmal vollständige deutsche Divisionen unter dem Kommando eines so jungen wie unbekannten Generals buchstäblich in die Wüste geschickt. Am 12. Februar betrat General Rommel zum erstenmal Tripolis und übersah den Umfang der Katastrophe. Ein gewiegter Taktiker hätte sich darauf beschränkt, die Stadt zu halten und Verstärkung abzuwarten – ein begabter Draufgänger wie Rommel faßte den größenwahnsinnigen Entschluß, die Briten aus der Cyrenaika hinauszuwerfen.
Für die Engländer war das Afrika-Korps zunächst nicht mehr als ein Gerücht auf hundert Beinen. Dann setzte der deutsche General eine neue Wunderwaffe ein: den Bluff. Eine Kolonne aus Panzern, Flak und Kradschützen rollte über die Via Balbia, die einzige asphaltierte Küstenstraße, entlang auf El Aghaila, ein altes Türkenfort, vor. Nach links sicherten Panzerjäger, auf der rechten Seite sahen die bestürzten Tommies eine riesige Panzerkolonne, die Rommel über Nacht aus dem Wüstensand gestampft haben mußte: es waren Attrappen, zusammengebastelt aus italienischen Fahrzeugwracks. Als die Engländer den Trick durchschauten, war Aghaila gefallen. Die Einfallspforte nach Tripolitanien wurde zu einem deutschen Sprungbrett in die Cyrenaika. Über die Littoreana, eine Küstenstraße, rollte über 800 Kilometer der deutsche Nachschub. Die Briten hatten Elite-Truppen nach Griechenland abgegeben und sahen sich plötzlich einem durch Rommels Wendigkeit weit überschätzten deutschen Angriff gegenüber.
Sie fluteten zurück. Ein
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