Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Feldpostnummer unbekannt

Feldpostnummer unbekannt

Titel: Feldpostnummer unbekannt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
Vom Netzwerk:
einem jungen Offizier vorbei, der ihn zu sich rief und dann doch abwinkte, als er den Gefrierfleischorden, das EK II und die Nahkampfspange am Waffenrock des jungen Gefreiten sah. Dann ging Böckelmann unschlüssig vor der Dienststelle seiner Braut auf und ab, nahm sich ein dutzendmal vor, sie schon jetzt zu überraschen, verwarf es wieder, und stand dann doch in ihrem Vorzimmer.
    Er war enttäuscht. An ihrem Schreibtisch saß eine andere, deren Pullover zu grün war. Die grellgeschminkten, roten Lippen wirkten wie ein frischer Schnitt.
    »Was wollen Sie hier?« fragte die Stabshelferin unfreundlich.
    »Ich möchte zu Fräulein Kleebach«, antwortete er.
    »Aber doch nicht jetzt …«
    »Ich bin mit ihr verlobt.«
    »Ach so«, versetzte die Giftgrüne, betrachtete Böckelmann genau und lächelte dann ironisch. »Der Bräutigam … das ist aber eine Überraschung.«
    »Soll es auch sein.«
    In diesem Moment kam Marion zurück. Sie sah Heinz Böckelmann und blieb betroffen in der offenen Türe stehen. Sie wirkte mehr erschrocken als erfreut. Aber der junge Soldat war viel zu ergriffen von der Begegnung, um darin ein Vorzeichen zu sehen.
    »Du?« sagte sie hastig.
    »Ja.«
    »Und so plötzlich?«
    »Freust du dich?« fragte er und überlegte, ob er Marion hier küssen dürfte.
    »Ja … schon …« Sie sah auf ihre Armbanduhr. »Aber ich habe noch drei Stunden Dienst … Du hättest mir schreiben sollen …«
    »Aber ich hab' doch nur Fahrtunterbrechung … und wußte gestern selbst noch nicht, daß ich heute …«
    »Soll ich den Chef für dich fragen?« schaltete sich die Giftgrüne ein.
    »Mach' ich schon selbst«, erwiderte Marion, froh über den Aufschub. Sie kam gleich wieder zurück, nickte Heinz zu, ohne zu lächeln, warf sich ihren Mantel über und sagte: »Komm.«
    Er ging neben ihr her. Er spürte etwas Fremdes, aber er führte es darauf zurück, daß er Marion so lange nicht gesehen hatte und daß man da immer am Anfang verlegen ist.
    »Wohin?« fragte sie.
    Er betrachtete sie verwundert. »Na, zu mir … oder zu dir«, entgegnete er dann.
    Sie ging weiter und sah Böckelmann von der Seite an. Also hatte Freddy doch nicht gepetzt, dachte sie, und es ist besser, ich komme dem ›Gigolo‹ zuvor. Sie war mehr trotzig als zerknirscht, aber das zwielichtige Gefühl kam aus der Scham, und sie nahm sich vor, alles so rasch wie möglich hinter sich zu bringen.
    Marion blieb vor einem kleinen Tagescafé stehen, zog Heinz hinein, bestellte sich eine Malzbrühe und rührte zerstreut mit dem Löffel herum, obwohl es längst keinen Zucker mehr gab.
    »Was ist denn mit dir los?« fragte Heinz, betroffen über ihr seltsames Benehmen.
    »Ich muß mit dir sprechen.«
    »Hier?«
    »Ja.«
    »Ist etwas passiert?« fragte er mit heiserer Stimme.
    Sie nickte, ohne ihn anzusehen. Jetzt betrachtete auch er die Tischdecke.
    »Mit uns?«
    »Ja«, antwortete Marion leise.
    Er hob den Kopf wie mit einem Ruck. Sein Gesicht war blass und ausdruckslos. »Ein anderer?« fragte er gepreßt.
    Marion wich wieder seinem Blick aus. Ich bin ja dumm, dachte sie, ich sollte mit Freddy reden, statt mit Heinz zu sprechen. Schließlich ist seit dem Zusammenstoß in der Villa in Dahlem nichts mehr vorgefallen, und gerade der ›Gigolo‹ mußte doch Verständnis für einen längst bereuten Fehltritt haben …
    Sie war verärgert über sich, daß sie mit Heinz, dem Jungen, der so an ihr hing, jetzt nur Mitleid empfand, nicht mehr; daß sie sein wortarmes Gehabe störte, daß er diese Millionenuniform trug, daß seine Haare zu kurz geschnitten waren und daß er sich wie ein schwerfälliger Tropf benahm.
    »Ja und nein«, sagte sie abrupt.
    »Du liebst ihn?«
    »Quatsch!« versetzte sie derb. Sie sprach jetzt unecht, wie aufgezogen: »Weiß nicht, ob du eine Ahnung hast, was das heißt, immer dazusitzen, auf Post zu warten und die ganze Jugend zu vertrauern.« Böckelmann nickte mit schwerem Kopf. »Aber das müssen wir doch alle«, erwiderte er bedächtig.
    »Alle?« fauchte sie ihn an. »Alle nicht …! Es gibt auch andere, und die leben in Saus und Braus, sogar im Krieg.«
    »Schieber«, entgegnete er schlicht.
    »Kann sein«, erwiderte Marion und drückte ihre Zigarette aus. »Aber mit einem von ihnen habe ich mich vor ein paar Wochen eingelassen … Guck nicht so belämmert …! Wollte auch mal leben und nicht immer bloß …«
    Böckelmann spürte einen Druck links und rechts des Kopfes. Er griff sich an die Schläfen, aber er konnte

Weitere Kostenlose Bücher