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Feldpostnummer unbekannt

Feldpostnummer unbekannt

Titel: Feldpostnummer unbekannt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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ausrotteten, und er hatte es gesehen, aber nicht begriffen. Wenn er und seine Kameraden rasteten, mußten sie zum Spaten greifen, um zuerst Gräben und danach Gräber auszuheben. Oft für hundert und zweihundert. Und diese Arbeit verlor ihren Schrecken, und sie achteten nicht mehr so genau darauf, ob nicht auch einmal ein toter Russe unter ihre Gefallenen geriete.
    Zuletzt waren die Leichenberge über das Maß ihrer Arbeit gewachsen, und sie hatten die Toten aufeinandergelegt und verbrannt und sich dabei die Stalinorgel auf den Leib gehetzt. Die Granaten schichteten sie um, schleuderten sie noch einmal hoch, verstümmelten sie nachträglich noch mehr und forderten auch noch ein paar andere Leben.
    Doch diese Sorgen hatten meistens erst die Infanteristen, die der Panzervorausabteilung folgten. Denn die motorisierten Kolonnen hatten blindlings nach vorne zu rasen, zu der Stelle, auf die der Führer mit dem Finger zeigte: Stalingrad, das wichtigste Industrie- und Verkehrszentrum an der Wolga.
    »Wenn der Nebel stärker wird«, sagte Achim, »müssen wir versuchen, die«, er deutete mit der Hand zum Sumpf, »zu bergen.«
    »Warum«, brummelte Unteroffizier Hanselmann.
    »Möchtest du da drin stecken?« fragte Achim heftig.
    »Hin ist hin«, murmelte Hanselmann, »denen tut's nicht mehr weh … und wir können die Ruhe brauchen.«
    »Scheißkerl!« fluchte Achim Kleebach; doch er hatte gar nichts gegen den Unteroffizier, dessen Sturheit jeder Situation gewachsen war, und ihm graute vor seinem eigenen Befehl.
    Das Gros der Abteilung war nach rechts weitergerollt, um so tief wie möglich in die sowjetische Frontlinie hineinzustoßen. Kleebachs Zug wurde zurückgelassen und hatte einerseits die Flankensicherung zu übernehmen und dann noch zu warten, bis die Werkstatt die Fahrzeuge wieder einsatzklar meldete.
    »Wenn Sie die Russen durchlassen«, hatte der Kommandant zu dem Oberfähnrich gesagt, »haben wir sie im Rücken, und was das heißt, können Sie sich an Ihren zehn dreckigen Fingern abzählen … Ich kann mich doch auf Sie verlassen, Kleebach?«
    »Jawohl, Herr Major«, hatte Achim mit sturem Gleichmut erwidert.
    So er seine Rechnung nicht ohne die Russen machte, hatte der Zug für ein, zwei Tage das große Los gezogen. Da man sich aber auf die Iwans nicht verlassen konnte, mußte er zuerst eine Notstellung ausbauen. Sie buddelten, lustlos, aber gewitzt durch Erfahrung. Sowie die Männer in Hüfthöhe in die Erde eingedrungen waren, gluckerte von unten herauf der Schlamm unter ihren Knobelbechern, und wenn sie ihn auskratzten und über den Grabenrand warfen, kam neuer nach. Der Dreck war auf diesem Kriegsschauplatz eine Waffe, die die Russen gratis einsetzen konnten.
    Achim Kleebach schritt die Stellung ab. Er befehligte allein die Flankensicherung, aber seine Freude darüber war gedämpft. Er sah nach drüben. Nichts rührte sich. Nur ein toter Rotarmist winkte ihm mit der gegen den Himmel ausgestreckten Hand höhnisch zu.
    Munition hatte der Zug Kleebach genug, aber keine panzerbrechenden Waffen. Sie waren auch unnötig, denn durch das sumpfige Gelände kamen die T 34 nicht hindurch. Achim hatte das SMG geschickt an halbwegs gedeckter, den Sumpf beherrschender Position eingebaut. Außerdem verfügte er noch über zwei leichte MGs, einen erbeuteten sowjetischen Granatwerfer, einige Maschinenpistolen und über jede Menge Handgranaten. Es war der einzige Reichtum, der diesen armen Hunden verblieben war.
    Die kalte Septembersonne zog sich hinter das Gewölk zurück. Die Landser breiteten Zeltplanen über den gluckernden Boden und hauten sich darauf. Jetzt fielen die Nebel ganz dicht vom finsteren Himmel. Oberfähnrich Kleebach ließ die Vorposten verstärken. Viele konnten nicht passieren, höchstens ein russischer Stoßtrupp würde vielleicht versuchen, durch die versumpfte Steppe heranzupirschen. Links sicherte eine rumänische oder italienische Einheit. Hoffentlich keine Itaker, dachte Achim, im Bann seiner Wüstenerfahrung, aber mit Rumänen sollte er ganz andere Erlebnisse sammeln.
    Er gähnte in seinen Stahlhelm hinein, zündete sich eine Zigarette an und überlegte dabei, wann sein Urlaub an der Reihe sei. Von den fünf Mann, die vor ihm auf der Liste standen, waren in den letzten Tagen drei gefallen. Nur so weiter, überlegte der Junge verbittert. Dabei hätte er jedem der drei Kameraden den Heimaturlaub gegönnt und gerne länger gewartet.
    Plötzlich schoß ein Vorposten. Die dösenden Landser fuhren hoch

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