Feldpostnummer unbekannt
beweisen. Jetzt beharkten die Russen mit Granatwerfern seine Stellung. Die angreifende Infanterie war fast noch einen ganzen Kilometer weg; obwohl sie noch keinerlei Widerstand begegnete, kam sie nur langsam voran. Die Rotarmisten versanken bis zu den Knien und manchmal bis zu den Oberschenkeln im nachgebenden Boden. Dann zogen sie die Beine so vorsichtig heraus, als ob sie sie abbrechen könnten.
»Wie die Störche«, rief Achim mit einem unguten Lachen. »Mal herhören!« Er hielt sich die gewölbten Hände vor den Mund. »Daß mir keiner schießt, bevor ich das Feuer freigebe … die lassen wir so nahe wie möglich an uns herankommen … und dann spielen wir Hindenburg, das ist unsere Masurenschlacht!«
Gib nicht so an, dachte Unteroffizier Hanselmann, der Bulle, dessen Gruppe das linke MG bediente. Ein einziger Feuerstoß, und dann passiert's. Sieht doch ein Blinder, daß die wie die Ratten ersaufen, wenn sie in Deckung gehen wollen.
»Ist das klar?« rief Oberfähnrich Kleebach.
Ein paar seiner Leute grunzten; die meisten gaben ihm keine Antwort, denn sie verstanden vom Krieg ohnedies mehr als er.
»Achtung!« brüllte einer.
Aber sie hatten fast gleichzeitig die Bescherung gesehen. Von rechts flogen zwei gepanzerte IL II schwerfällig wie Krähen heran, machten die deutsche Stellung aus und drückten in einer Schleife ihre Schnauzen nach unten. Sie überflogen die Stellung und berotzten sie. Aber sie entwickelten dabei fast ein Talent vorbeizuschießen. Die Soldaten nahmen den Kopf vorsichtshalber tief in den Dreck und richteten sich verwundert wieder auf.
»Haben wir ein Schwein heute«, sagte Achim Kleebach.
»Wart ab!« erwiderte Sawitzky.
Dann gingen sie wieder gemeinsam in Deckung, denn die Tiefflieger mit dem roten Stern kamen zum zweitenmal heran.
Diesmal warfen sie leichte Bomben; es gab viel Krawall und Rauch, und als der Zauber vorbei war, hatte der Zug Kleebach noch immer keine Verluste. Die beiden IL II drehten ab, als reichte ihnen bereits ihr Tagewerk oder als fürchteten sie deutsche Me's, die die Landser längst nur mehr vom Hörensagen kannten.
»Wer will noch mal, wer hat noch nicht!« schrie ihnen Achim geringschätzig nach. Er warf einen Blick auf den Sumpf. Es war noch nicht soweit, und so sabberte er weiter: »Die sterben auch noch im Bett, wenn sie so weitermachen … Alles in Ordnung?« Er sah an seinem Graben entlang.
Kein Ausfall! Ein Witz. Nur der Kumpel des dicken Mühlwein sagte: »Dein Mantel ist ja zerfetzt.«
»Quatsch«, erwiderte der gefräßige Pommer. Dann zog er ihn aus, starrte verwundert auf die durchblutete Hose und begriff, daß er, ohne es gespürt zu haben, mit einem erstklassigen Heimatschuß beschwert worden war, die richtige Machart, hinten rechts. »Mensch!« brüllte er und sprang auf, lachte breit über das Gesicht, daß ihm die Tränen herunterkullerten. »Das ist ja ein Sonntag heute!« Nur mit Mühe konnte er daran gehindert werden, den Kameraden, die im Moment ganz andere Sorgen hatten, sein nacktes Gesäß mit der Fleischwunde zu zeigen.
700 Meter noch, sprach Achim Kleebach in Gedanken das Ziel an. Die erdfarbenen Gestalten hoben sich nur undeutlich von der Steppe ab. Aber die meisten Iwans trugen Stahlhelme, und so wirkten sie wie Riesenschildkröten, die ganz langsam näherkrochen.
Die ersten schnauften, aber sie wurden wieder angetrieben. Ein russischer Unterleutnant schrie und fuchtelte wild mit den Armen.
»Den leg' ich als ersten um«, fluchte Achim Kleebach. Er setzte das Glas ab und zielte übungshalber über Kimme und Korn, das zweite Glied des gekrümmten Zeigefingers am Druckpunkt. Er spürte sein Herz in den Fingerspitzen klopfen, wollte jetzt selbst abdrücken und zwang sich zur Ruhe, sah verstohlen zu Unteroffizier Hanselmann hin, der links vor ihm lag, und spürte beruhigt dabei, daß er nichts falsch machen konnte. Der Bulle des Zugs würde auch ohne Feuerbefehl genau im rechten Moment losknallen, keine Sekunde zu früh und keinen Moment zu spät. Und auf die Reaktion Hanselmanns wartend, ließ Achim den russischen Unterleutnant einstweilen am Leben.
500 Meter.
Hanselmann, der verfluchte Scheißkerl, rauchte noch gemächlich.
450 Meter.
Hanselmann drückte pedantisch seine Zigarette aus, als stünde er in einem Salon, statt an der Steppenfront. Der Unteroffizier übernahm das MG selbst, zog den Schaft tief in die Schulterhöhlung und wartete.
400 Meter.
Mit dem ersten Feuerstoß aus Hanselmanns MG fiel die starre
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