Feldpostnummer unbekannt
Spannung von den Männern des Zugs Kleebachs. Die Garbe des Unteroffiziers erfaßte die ersten zehn, fünfzehn Russen, noch bevor sie sich hinwerfen konnten. Man hörte Schreie und Kommandos, während sich die Sowjets im Sumpf wälzten, dessen zähe Masse sofort ihre Körper umspülte, gluckernd und blasenspuckend. Aber die Köpfe mußten die Iwans so weit heraushalten, daß sie ein deutliches Ziel boten.
So wurde ihre erste Welle zerrieben, bevor sie überhaupt einen Schuß abgegeben hatte. Das russische Granatwerferfeuer wurde stärker, aber damit war den Infanteristen in den erdfarbenen Uniformen auch nicht geholfen. Über die toten Vordermänner im Sumpf kletterten die anderen Angreifer, benutzten sie als Halt und kamen geduckt näher, mit den Gesichtern von Menschen, die wissen, daß sie im nächsten Moment sterben müssen.
Holz splitterte, Menschen schrien, Querschläger heulten, Flüche und Kommandos purzelten übereinander. Am linken Flügel hatte Unteroffizier Hanselmann grausame Ernte gehalten. Mit kurzen, sorgfältig gezielten Feuerstößen, so daß er nicht einmal den Lauf seines MGs zu wechseln brauchte.
Achim hatte den Unterleutnant getroffen, aber der Russe erhob sich wieder, und während ihn der Oberfähnrich noch pedantisch anvisierte, wurde er von der Garbe des MGs erfaßt und auf den Rücken geworfen. Achim beobachtete, wie er im Schlamm versank, und maulte erregt: »Den hab' ich doch für mich aufgehoben, ihr Idioten!«
Es war ein scheußlicher, ungleicher Kampf. Die Russen starben reihenweise, ohne die geringste Chance. Das ist ja ein Verbrechen, dachte Achim gepreßt, sie so erbarmungslos in dieses Wahnsinnsgelände zu hetzen, sie einfach zu verheizen; er dachte nicht daran, daß er gegebenenfalls einen gleichen Befehl ausführen müßte und würde.
Aber er kam auch nicht mehr zum Denken. Er hörte einen Schrei und fuhr herum. Das gibt es doch gar nicht, dachte er und war so betroffen, daß er ein paar entscheidende Sekunden verstreichen ließ: Von hinten, aus der Tiefe der deutschen Angriffsstaffelung heraus, im eigenen Rücken, kamen wie von Zauberhand hingesetzt andere Russen heran. Zwanzig, fünfzig. Schnell und zielstrebig, denn an ihren Stiefeln hing keine Erde und unter ihrem Körper gluckerte kein Sumpf.
Achim Kleebach kam nicht mehr dazu, das sowjetische Manöver zu durchschauen, zu begreifen, daß die Iwans im Sumpf geopfert worden waren, um den seitlichen Durchbruch zu tarnen, wo Rumänen oder Italiener beim Auftauchen der Russen wieder einmal kopflos davongelaufen waren.
Der Oberfähnrich riß das MG herum und fing die Reihe der vorderen Angreifer gerade noch rechtzeitig, hundert Meter vor seinem Graben, ab. Aber hinter ihnen kamen die anderen, hechelnd, gierig, weit auseinandergezogen, in kurzen Sprüngen, schulmäßig wie auf dem Kasernenhof – einer schießt, einer springt –, und hinter dem dritten, der nicht mehr aufstand, erhob sich der vierte. So nahe jetzt schon, daß man sein Gesicht sah, ein Gesicht, das töten muß, weil es sonst selbst getötet wird.
Aber auch die Russen aus dem Sumpf hatten sich inzwischen näher herangeschoben, und Unteroffizier Hanselmann, der ihnen am nächsten war, mußte jetzt doch den Lauf seines MGs wechseln, weil er sich heißgetötet hatte. Er hatte alle Hände voll zu tun und mußte das Gros des Zugs sich selbst überlassen. Aber er hielt seinen Kameraden wenigstens den Rücken frei, bevor ihn noch Kleebachs Befehl erreichte.
Der Zug wehrte sich, so gut er konnte. Aber der eben aufgefangene Angriff kam wieder ins Rollen, schob sich unheimlich und folgerichtig, tötend und sterbend, näher an die Stellung heran. Und wohin Achim auch sah, er bemerkte nur springende, stürmende, schießende, keuchende Sowjets, Menschen mit gepreßten Gesichtern und stieren Augen, er hörte das gräßliche »Hurräh!« und er konnte jeweils nur einen Mund stumm machen. Und er kämpfte jetzt längst nicht mehr für die Flankensicherung, sondern ums nackte Leben. Und wenn er es verlor, dann gewannen die Iwans einen Brückenkopf mitten im deutschen Aufmarsch nach Stalingrad, und dann waren die Vorausabteilungen abgeschnitten, und der Rest war Untergang.
Er sah den Infanteristen mit dem Behälter auf dem Rücken. Das Entsetzen steigerte sich. Nichts hasste Achim mehr als Flammenwerfer, und nichts fürchtete er auch mehr. Er steckte ein neues Magazin in seine MP und benutzte es, um einen einzigen Mann zu erledigen.
Aber auch andere hatten Behälter auf
Weitere Kostenlose Bücher