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Feldpostnummer unbekannt

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Titel: Feldpostnummer unbekannt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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sieht es nicht so gut aus«, versetzte der Stabsarzt. »Brandwunden im Gesicht.« Er lachte gezwungen. »Gut, daß Sie sich nicht im Spiegel sehen …«
    »Brandwunden?« fragte Böckelmann und erinnerte sich an Kameraden, bei deren Anblick er sich abwenden mußte.
    »Keine Bange«, der Mediziner war eine Spur zu burschikos. »Wenn das erst mal verheilt ist, dann machen wir 'ne kleine Operation … Sie werden schöner denn je, das verspreche ich Ihnen …«
    Der Verwundete schwieg.
    »Verdanken Sie der modernen Medizin«, ergänzte der Mann im weißen Kittel, »Transplantation nennt man das … wir nehmen einfach ein Stück Haut aus Ihrem Oberschenkel und pflanzen sie Ihnen ins Gesicht … kein Mensch sieht das …«
    Heinz Böckelmann schwieg noch immer. Er hörte, wie der Arzt weiterging. Er hat gelogen, dachte der Obergefreite, aber er fragte sich nicht, warum. Merkwürdig, überlegte er, wie man jeden falschen Ton heraushört, wenn einem eine Binde über die Augen gelegt ist. Seine Hände tasteten sich zum Kopf durch, versuchten vorsichtig über die Augenhöhlen zu fahren, aber er spürte nichts. Die Stelle war seltsam pelzig, wie abgestorben.
    »Na, mein Lieber …«, hörte er noch den Stabsarzt zu der Fettstimme sagen, »Sie machen jetzt noch ein bißchen Heilgymnastik … und dann messen wir Ihnen die Prothese an … Sie brauchen keine Angst zu haben … Sie können wieder spurten wie ein Hundertmeterläufer, und wenn Sie genug Energie im Bauch haben, sogar skifahren …«
    »Skifahren wäre das wenigste …«, erwiderte der Mann leise, und seine Stimme war nicht mehr fettig.
    Bevor die Visite zu Ende war, schaukelte die Erschöpfung den Obergefreiten Böckelmann in tiefen, traumlosen Schlaf. Er erholte sich rasch, zu rasch für die Schwester, deren mitleidigen Blick er nicht sehen konnte.
    »Widerlich«, klagte er, »dieses Zeug über dem Kopf … und die Stoppeln jucken … wann darf ich mich rasieren, Schwester?«
    »In ein paar Tagen wird der Verband abgenommen«, entgegnete sie ruhig.
    Das Gespräch der anderen brach ab. Es war unheimlich still. Auch die anderen drei, die wußten, daß sie Krüppel waren, hatten Mitleid mit Böckelmann und wünschten sich aus dem Lazarett heraus, bevor ihm der Verband abgenommen würde.
    Die Schwester ging zu dem Stabsarzt. »Wir müssen etwas tun mit Böckelmann«, sagte sie, »er wird unruhig …«
    Der Mediziner fluchte.
    »Er ist doch schon transportfähig …«, schaltete sich leise der Spieß ein.
    »Ach so«, entgegnete der Stabsarzt, »Sie meinen, wir verfrachten ihn einfach von Köln nach Berlin, ins Heimatlazarett? … Gar nicht so dumm, mein Lieber, haben sowieso zu wenig Platz … Wie steht's bei ihm mit Angehörigen?« fragte er dann barsch.
    Der Hauptfeldwebel hielt das Soldbuch schon in der Hand, schlug die Stelle auf, an der die nächsten Angehörigen vermerkt waren. »Mutter lebt … Berlin-Charlottenburg … da, eine Braut hat er auch: Marion Kleebach«, las er hastig vor, »Berlin-W, Lietzenburger Straße …«
    »Gut«, entschied der Stabsarzt, »verständigen Sie die Angehörigen, sie sollen es ihm schonend beibringen … und lassen Sie Böckelmann sofort verlegen, bevor es hier Theater gibt … Was ist denn?« fuhr er einen Sanitätsgefreiten an, der eingetreten war und in strammer Haltung sich vor dem Chef aufbaute.
    »Unteroffizier Güßwein ist … ist …«
    »Ist was?«
    »Hinüber …«, ergänzte der Sani.
    »Kann ich was dafür?« fuhr ihn der Stabsarzt an und stieß unwillig mit dem Fuß gegen den Schreibtisch.
    »War sowieso aussichtslos«, erklärte der Spieß.
    »Haun Sie ab, Sie Hellseher!« erwiderte der Arzt und sah verloren ins Leere. Dann blickte er zerstreut dem Hauptfeldwebel nach, der in der Türe zu dem Sani sagte: »Ein gutes hat's … wenigstens ist wieder ein Bett frei …«
    Während der Arzt in den Krankengeschichten auf seinem Schreibtisch wühlte, überlegte er einen Moment lang, ob es besser sei, zu sterben oder zu erblinden … und da er zu keinem Ergebnis kam, rief er seine Freundin an und verabredete mit ihr einen Kinobesuch für heute Abend.
    Als Unteroffizier Hanselmann mit den klappernden Kochgeschirren aus der Stellung klettern wollte, wurde Achim Kleebach, der Oberfähnrich, mit der Lähmung fertig, die ihn gebannt hatte. Er lockerte den Griff an der MP und ging drohend auf den Bullen zu. »Bist du wahnsinnig?« brüllte er ihn an.
    »Jawohl«, versetzte der Unteroffizier, »ich bin

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