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Feldpostnummer unbekannt

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Titel: Feldpostnummer unbekannt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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schnell ihr könnt … so viel ihr könnt … und wenn euch einer aufhalten will …« Er lächelte tückisch, langsam, von rechts nach links, und der Hass, der über sein Gesicht rann, war zu sehen wie zu greifen, »dann mach' ich ihn fertig … mit einem sauberen Feuerstoß … mal sehen, wer uns aufhält …«
    Der Bulle zog die Luft zwischen den Zähnen ein, »gelernt ist gelernt!«
    Im nächsten Moment gingen die Scheinwerfer an, und die erste der kreisenden Ju's riß die Luken auf, und aus niedriger Höhe knallte der Nachschub nach unten, und die Männer spürten ihren Saft im Magen wie ein Jo-Jo.
    »Also«, forderte Unteroffizier Hanselmann seine beiden Essensholer auf.
    Sie folgten ihm wie hypnotisiert.
    Sie liefen weg. Sie hatten etwa 600 Meter zu gehen, und sie wurden vielleicht schon vom ersten Vorposten niedergeknallt oder als Versprengte dem nächsten Aufhängestab ausgeliefert oder für einen selbstmörderischen Gegenstoß kassiert. Aber der ganze Zug starrte ihnen nach, und wer, einschließlich Achim, noch denken und hoffen konnte, der setzte auf sie, und wartete, daß sie zurückkämen- und hasste sie bereits auf Vorschuß, weil sie sich schon einen Teil ihrer Beute unterwegs nehmen würden, statt es ehrlich mit ihnen zu teilen, wie es die Kameradschaft lehrte.
    Es waren sechs oder sieben Ju's. Eine wurde abgeschossen, die anderen kamen durch. Anständige Verlustquote heute. Plötzlich gingen die Scheinwerfer aus. Irgendwo spuckte ein MG seinen Dreck aus dem Lauf. Es konnte so gut die Abwehr eines russischen Spähtrupps sein wie die tägliche Massenerschießung. Die Männer um Achim setzten noch immer auf den Bullen.
    Nach sechzig Minuten hatten ihn auch die größten Optimisten aufgegeben, nach eineinhalb Stunden bereits vergessen, und daß sie nun heute wieder nichts zu essen bekamen, war für sie schlimmer als das Ende ihrer Kameraden, so furchtbar es auch gewesen sein mochte – und daß diese drei die toten Magennerven noch einmal gereizt hatten, nahmen sie ihnen übel, bis die schneidende Kälte ihr Bewußtsein einfror.
    Dann kamen Schritte, harte, laute, klirrende Schritte. Und sie fuhren mit klammen Gliedern hoch und wischten sich den Kälteschleier von den Augen. Und sie starrten genarrt dem bulligen Unteroffizier entgegen, krochen aus ihren Löchern, und es war ihnen scheißegal, ob die Russen nun auf der anderen Seite herankamen, und sie schnappten über, als sie den großen Schinken in Stanniol sahen, den der Bulle und der Gefreite trugen wie eine erlegte Sau, sie starrten Hanselmann entgegen, der stolz und dämlich grinste wie ein Sonntagsjäger nach dem Blattschuß, und einer fehlte, der Professor, der kleine Sawitzky, aber der Hunger machte sie so gierig, daß sie nicht bis drei zählen konnten, und sie nur das Fleisch vor sich sahen, das der Unteroffizier jetzt mit einem Messer in dreizehn dicke Portionen zerlegte und sie ihnen der Reihe nach verabreichte.
    »So …«, sagte er, »das reicht für alle … wenigstens heute … freßt nicht so gierig, sonst kotzt ihr das Zeug bloß wieder heraus.«
    Aber sie kümmerten sich nicht darum. Sie schlangen den Schinken hinunter, übergaben sich und griffen wieder nach dem dicken Stück, schlangen und würgten, und keiner fragte, ob an dem Fleisch Blut hing oder nicht, ob der Bulle seine MP benutzt hatte oder ob sie es so geschafft hatten. An den Professor dachten sie immer noch nicht. Sie aßen, bis sie Schluckbeschwerden hatten und sich in Magenkrämpfen wanden …
    Sie waren glücklich dabei, und Hanselmann, der Bulle, wurde zum Helden des Tages. Und sie hätten ihm gern den Superlativ zum Ritterkreuz verliehen – und sie fanden sein träges Kauen nicht ekelig, bei dem ihm ein Stück Speck weit aus dem Mundwinkel hing- und als er sagte: »Das machen wir von jetzt ab jeden Abend«, war es für sie das einzige Programm, dem zu folgen sie bereit waren und der letzte Apell, der sie hinter dem kalten Ofen von Stalingrad hervorlocken konnte.
    »Tja«, sagte Hanselmann, »schade um den Professor … die Dreckskerle haben ihn geschnappt … und gleich umgelegt …« Er zuckte die Schultern. »Nichts mehr zu machen … aber in Stalingrad ist ein Mann gegen einen Schinken immer noch ein guter Tausch …«
    Jetzt erschraken sie. Sie waren satt, und so konnten sie auch mit dem kleinen Sawitzky wieder mitfühlen, und betroffen stellten sie fest, daß sie unwissentlich an seinem Leichenschmaus teilgenommen hatten – und sie fragten

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