Felicity Gallant und Das Auge des Sturms (German Edition)
in Wellow, die vor Erwartung wie elektrisiert waren und die zum Hafen strömten wie die Kinder zum Rattenfänger, der auf seiner Flöte spielt.
Jasper Cutgrass, einziges Kind seiner liebenden Eltern Cyril und Iris Cutgrass und Beamter bei der Küstenwache, wartete geduldig, ohne auf die drängelnde und schubsende Menge um ihn herum zu achten. Seine Arbeit bei der Zollbehörde war weder besonders angesehen noch wurde sie gut bezahlt, doch das hatte ihn nie daran gehindert, seine Uniform stolz zur Schau zu stellen. Von den blitzenden Messingknöpfen seiner Jacke bis zu den liebevoll auf Hochglanz polierten, wenn auch ziemlich abgetragenen Stiefeln machte Jaspers Erscheinung jedem deutlich, dass er ganz in seinem Beruf aufging.
Er glaubte selbst kaum, dass er wirklich hier unter all diesen Leuten stand. Aber er konnte sich dieses Ereignis um keinen Preis entgehen lassen. Als er erfahren hatte, dass die Sturmwolke wieder nach Wellow zurückkehren sollte, hatte er sofort gewusst, dass er unbedingt dabei sein musste, wenn sie anlegte. Jetzt würde endlich Licht ins Dunkel kommen. Und sie brachte Sturm – es stimmte, was in den Büchern stand.
Der Himmel öffnete seine Schleusen und es begann heftig zu regnen. Über dem Meer zuckte ein Blitz. Als die Sturmwolke um die Landspitze bog, schnappte die Menge nach Luft.
»Das Flaggschiff der Gentry«, murmelte Jasper ehrfürchtig. »Die Sturmwolke .«
Er stand am Kai und sah wie gebannt hinaus durch den prasselnden Regen. Seine Jacke war triefnass. Es war verdammt ungemütlich. Aber Jasper Cutgrass machte das nichts aus: Er war so glücklich wie noch nie in seinem ganzen Leben.
Auch Villainous Usage hatte es mit unwiderstehlicher Gewalt zum Hafen gezogen, woran der eiserne Wille seiner Mutter keinen geringen Anteil hatte. Die Usages waren Leute, mit denen sich niemand in Wellow gerne abgab. Villainous trottete schweigend hinter seiner Mutter her, die sich mit den Ellbogen freie Bahn durchs Gedränge schuf, seine tückischen kleinen Augen flitzten unruhig umher. Niemand beschwerte sich, die Menschen waren wie hypnotisiert von dem Geschehen draußen auf dem Meer.
Die Usages hatten einen Tag voller Ärger und Scherereien hinter sich. Kaum war Mrs Usage am Morgen aus der Tür getreten, da war auch schon der Hausbesitzer aufgetaucht, um die Miete zu kassieren. Und beim Bäcker hatte doch tatsächlich so ein aufdringlicher Kerl die Frechheit besessen, ihr Arbeit anzubieten: Als Waschfrau sollte sie bei ihm schuften! Villainous war heilfroh darüber, dass die Sturmwolke nach Wellow zurückkam. Jetzt konnte er die Familientradition fortsetzen und endlich in das Geschäft einsteigen, das ihnen früher gutes Geld gebracht hatte.
Als die Mutter sich schließlich nach vorn durchgekämpft hatte und das berühmte Schiff sah, erschien auf ihrem Gesicht der seltene Ausdruck von wirklicher Glückseligkeit. Ihr schmutziges Doppelkinn wabbelte, so ergriffen war sie. Sie packte Villainous am Arm, er zuckte zusammen. »Sie ist da, mein Sohn«, rief sie triumphierend.
Villainous blickte ehrfürchtig zur Sturmwolke hinaus. Er hatte nicht viel Ahnung vom Segeln (auf so einem Schiff war es ihm zu kalt und zu nass und es gab zu viel harte Arbeit für seinen Geschmack), aber selbst er verstand, dass die Mannschaft der Sturmwolke ihr Handwerk meisterhaft beherrschte. Die rauen Stimmen der Seeleute klangen fröhlich, ganz offensichtlich genossen die Männer jede Minute ihres gefährlichen Kampfs mit den Elementen.
Die Mutter sah ihren Sohn mit glänzenden Augen an, wie berauscht vor lauter Glück. »Jetzt wird alles gut«, prophezeite sie und streichelte den abgewetzten Ärmel seiner Jacke. Sein Frettchengesicht verzog sich zu einer freudigen Grimasse. Der Anblick seiner schiefen, krummen Zähne war zum Fürchten, aber seine Mutter tätschelte ihm selig die Wange. Er genoss die mütterliche Liebkosung – er wusste, dass solche Anfälle von Zärtlichkeit nicht lange dauerten.
Unter dem Dachvorsprung eines Lagergebäudes am Kai standen der alte Isaac Tempest und sein siebzehnjähriger Enkel und beobachteten, wie die Sturmwolke näher kam. Obwohl eine ganze Generation zwischen ihnen lag, waren sie gleichermaßen fasziniert von diesem Schiff.
Gelassen stopfte Isaac seine Pfeife. Er zündete sie an und zog ein paarmal kräftig, bis eine nach Vanille duftende Rauchwolke sie einhüllte. Sein Enkel blickte wie gebannt aufs Meer und bewunderte insgeheim die spektakuläre Geschicklichkeit der
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