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Felicity Gallant und Das Auge des Sturms (German Edition)

Felicity Gallant und Das Auge des Sturms (German Edition)

Titel: Felicity Gallant und Das Auge des Sturms (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Welsh
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Mannschaft. In seiner Familie waren alle Seeleute. Ohne das Können und den Wagemut dieser Männer wäre die Gentry niemals zu solcher Macht gelangt. Aber die Besatzung der Sturmwolke war doch etwas Besonderes, das Beste vom Besten, lauter Teufelskerle.
    »Aber sie müssen ja nicht unbedingt so angeben«, platzte der Junge endlich heraus.
    Sein Großvater verkniff sich ein Lächeln. »Sie zeigen eben gerne, was sie können.« Seine blauen Augen blitzten boshaft. »Ich glaube, auch andere junge Männer würden dieser Versuchung nur schwer widerstehen, wenn du mich fragst.«
    Auf der Klippe der Landspitze stand Felicity neben Henry, starr vor Staunen. Es schüttete nur so – das Wasser lief ihnen in Strömen übers Gesicht, drang in Mund und Nase. Felicitys Haare klebten am Kopf, aber sie bemerkte es kaum.
    »Darum sind die Leute alle hier«, schrie Henry gegen den Wind. »Die Sturmwolke ist unglaublich berühmt, und sie war nicht mehr in Wellow, seit sich die Gentry aufgelöst hat. Kein Mensch weiß, warum.« Er fasste Felicity am Arm und deutete zum hinteren Teil des Oberdecks auf eine hochgewachsene Gestalt. »Ist das da der Mann, den du in der Bibliothek gesehen hast?«, fragte er.
    Felicity schnappte nach Luft. Tatsächlich, er war es.
    »Er heißt Abednego«, sagte Henry. »Er ist der Kapitän der Sturmwolke und muss inzwischen uralt sein.«
    Dem Mann war sein Alter nicht anzusehen. Er stand auf dem Quarterdeck und rief nur hin und wieder Kommandos, während die Mannschaft in hektischer Bewegung umherflitzte. Seine ruhige Gelassenheit unterstrich den Eindruck souveräner Autorität. Offenbar waren er und seine Mannschaft so aufeinander eingespielt, dass sie einander blind verstanden.
    Unter dem Kommando eines weniger tüchtigen Kapitäns wäre die Sturmwolke wohl wie ein Flaschenkorken in der rauen See vor der Küste hin und her getrieben worden. Bei diesem starken Wind zu manövrieren war schwierig und jeder kleine Fehler konnte fatale Folgen haben.
    »Er sucht die Stelle«, rief Henry. Felicity sah ihn verständnislos an. »Es gibt hier nur eine einzige Stelle, wo die Sturmwolke Anker werfen kann«, erklärte er.
    Ein Matrose ließ eine Leine, die mit Stoff- und Lederstreifen markiert war, ins Wasser. An ihrem Ende befand sich das »Lot«, ein mit Wachs bestrichenes Bleigewicht. Dann holte der Mann die Leine wieder ein und musterte die Abdrücke im Wachs: Sie verrieten, ob der Grund sandig, kiesig oder felsig war. Nachdem er das mehrere Male getan hatte, schien er endlich gefunden zu haben, was er suchte, und er machte dem Kapitän Meldung.
    Abednego gab den Befehl, die Segel einzuholen. Unter ohrenbetäubendem Freudengeschrei kletterten seine Leute an Tauen und Strickleitern in die Masten hinauf. Sie balancierten in schwindelerregender Höhe auf den Rahen und machten sich daran, die Segel zu reffen – wenn man sie so vollkommen furchtlos dort herumturnen sah, lief es einem eiskalt über den Rücken.
    Die Sturmwolke verlor an Fahrt. Geschickt steuerte Abednego sein Schiff mit dem Bug in den Wind, genau bis zu dem Punkt, wo es von selbst stehen bleiben musste. Dann gab er den Befehl, den Anker auf der Steuerbordseite zu werfen. Die Mannschaft ließ so viel Kette herausrasseln wie nötig.
    Der Anker fasste Grund, ein Ruck ging durch die Sturmwolke und dann drehte sich das Schiff langsam in Richtung der Strömung. Schlagartig, wie ein zorniges Kind, das sich müde getobt hat, beruhigte sich das Wetter. Der Wind heulte nicht mehr durch die Takelage und all das Ächzen, Knattern und Schlagen verstummte. Wo sich eben noch wild schäumendes Wasser übers Deck ergossen hatte, wogten nun leichte Wellen. Nur der Regen strömte weiter dicht vom Himmel.
    Die Menge im Hafen johlte begeistert und klatschte. Auf der Landspitze machten sich Felicity und Henry über die glitschigen Klippen auf den Heimweg. Vom Kai her ertönte geschäftiges Summen, als ein Teil der Schiffsmannschaft an Land kam, um frischen Proviant zu besorgen. Felicity schaute immer wieder über die Schulter zur Sturmwolke  – wie all die anderen Leute in Wellow schlug das prächtige Segelschiff sie in seinen Bann. Sie hatte keine Ahnung von den Veränderungen, die die Sturmwolke mitbrachte. Felicity verstand die Bedeutung dieses Ereignisses nicht, aber sie sollte eine der Ersten sein, die seine Folgen zu spüren bekamen.



Viertes Kapitel
    Z
u Hause ging Henry in die Küche und zog seinen tropfnassen Mantel aus. Das Zimmer war vom Feuer im Herd ganz

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