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Felicity Gallant und Das Auge des Sturms (German Edition)

Felicity Gallant und Das Auge des Sturms (German Edition)

Titel: Felicity Gallant und Das Auge des Sturms (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Welsh
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aufdrängen?
    »Aber nein«, versicherte Mrs Gallant hastig, »kein Mensch denkt an so etwas. Das sind wirklich sehr solide Schuhe, nicht wahr, Felicity?«
    Felicity blickte erschrocken auf. »Mama, mir gefallen sie nicht besonders.«
    »Ich finde auch, dass sie Felicity einfach nicht stehen«, meinte Poppy.
    »Unsinn.« Mrs Gallant hatte das fanatische Glitzern in den Augen ihrer Schwiegermutter gesehen und wollte unbedingt verhindern, dass sie eine Szene machte. »Sie sind prima.«
    Lächelnd drehte sie sich zu Mrs Joliffe um. »Wir nehmen sie«, sagte sie.
    Am Nachmittag ging Felicity wie üblich in die Bibliothek. Sie war froh, von daheim wegzukommen. Die Großmutter war noch nicht einmal einen ganzen Tag hier, aber Felicity spürte ihre Gegenwart im Haus bereits wie eine drückende Last.
    »Felicity!« Sie war schon wieder auf dem Rückweg, als sie hörte, wie jemand nach ihr rief. Sie blickte auf. In einiger Entfernung stand die unverwechselbare Gestalt von Henry. Er trug eine Wollmütze, einen Schal und Handschuhe und winkte ihr zu.
    »Na, wie war dein Tag?«, fragte er.
    Felicity wurde wieder ganz elend, wenn sie nur daran dachte. »Grauenhaft«, sagte sie. »Meine Großmutter ist gestern Abend überraschend zu Besuch gekommen.« Erst hinterher wurde ihr bewusst, dass Henry nicht so ohne Weiteres verstehen konnte, warum das eine die Erklärung des anderen war.
    »Euer Verhältnis ist wohl nicht besonders gut, oder?«, fragte Henry. »Na ja, in einer Familie ist eben nicht alles nur Friede, Freude, Eierkuchen. Das weiß ich aus bitterer Erfahrung«, fügte er philosophisch hinzu.
    »Ich hatte sie bis gestern noch nie gesehen.« Felicity konnte es selbst kaum glauben, so seltsam kam ihr die ganze Geschichte vor. »Meine Mutter sagt, sie ist die Frau des Vaters meines Vaters, aber kein Mensch hat sie je auch nur erwähnt. Sie ist praktisch aus dem Nichts aufgetaucht. Ich glaube, meine Mutter war ihr vorher auch nie begegnet.«
    Henry schaute seine Freundin überrascht an. »Das ist allerdings ziemlich ungewöhnlich. Wie ist sie denn so?«
    Felicity überlegte. »Na ja, ich kenne sie noch nicht lange, aber sie ist …« Sie suchte eine Weile nach dem richtigen Wort. »Sie hat sich einfach in meinem Zimmer einquartiert«, sagte sie schließlich.
    »Wie ich das hasse!« Henry konnte sie nur allzu gut verstehen. »Immer bin ich es, der sein Bett hergeben und auf diesem blöden Feldbett kampieren muss, wenn bei uns jemand übernachtet, und das –« Das Thema lag ihm offensichtlich am Herzen, und er wollte seinem Groll Luft machen, aber er kam nicht dazu, denn Felicity fiel ihm ins Wort. Ihr war etwas eingefallen.
    »Als wir bei Alice waren, hast du sie nach jemandem namens Rafe Gallant gefragt; du hast gesagt, dass er mein Großvater ist. Ich war gerade in der Küche beschäftigt, und als ich dann ins Wohnzimmer kam, hat Alice das Thema gewechselt.«
    »Na ja … äh«, sagte Henry zögernd. »Das ist dann wohl der Mann dieser komischen Großmutter. Er ist der Vater deines Vaters, der Anführer der Gentry.«
    Felicity blieb vor Verblüffung der Mund offen stehen. Sie brauchte eine ganze Weile, um das zu verarbeiten, was Henry gerade gesagt hatte.
    »Du lieber Himmel!« Er grinste. »In deiner Familie wird wirklich nicht viel darüber geredet, oder?«
    Natürlich wusste Felicity über die Gentry Bescheid. Jeder kannte die Gentry. Sie gehörte zu Wellow wie die Klippen, der Hafen und das Meer. Sie hatte Wellow erst zu dem gemacht, was es war. Aber man sprach von ihr immer nur in der Vergangenheitsform. Die Gentry war ein abgeschlossenes Kapitel der Geschichte, längst vorbei. Und jetzt stellte sich heraus, dass sie eng mit Felicitys Familie verbunden war und sogar mit ihren noch lebenden Verwandten.
    »Mein Großvater war der Anführer der Gentry …«, sagte Felicity langsam. Sie war wie vor den Kopf geschlagen. Wie konnte das sein, dass ihr Freund mehr über ihre Familie wusste als sie selbst?
    »Ich dachte allerdings immer, seine Frau sei tot«, fuhr Henry in einem so unbefangenen Ton fort, als wären seine Enthüllungen gar nichts Besonderes.
    Felicity dachte daran, dass ihre Eltern es nicht mochten, wenn man ihnen Fragen stellte. Sie erinnerte sich plötzlich an verstohlenes Geflüster, an sonderbare Bemerkungen, die sie nicht verstehen konnte, an Gespräche, die abbrachen, wenn sie den Raum betrat. »Ich meine … es überrascht mich nicht, dass ich einen Großvater habe. Irgendwie wusste ich das schon.

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