Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Felicity Gallant und Das Auge des Sturms (German Edition)

Felicity Gallant und Das Auge des Sturms (German Edition)

Titel: Felicity Gallant und Das Auge des Sturms (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Welsh
Vom Netzwerk:
ihres Spazierstocks traf.
    Sie streckte eine fette Hand vor, ihre bleichen Wurstfinger packten den muskulösen Arm des Kapitäns überraschend fest. Plötzlich sank der Geräuschpegel, die Menge ringsum verstummte.
    Abednego war so berühmt, dass es nur wenige Orte auf der Welt gab, zu denen sein Ruf nicht vorgedrungen war, und Wellow zählte gewiss nicht dazu. Manche Leute meinten, seine gelassene Ruhe sei die abgestumpfte Gefühllosigkeit eines Menschen, der ein Leben voller Gewalttaten hinter sich hat. Andere behaupteten, er habe Dinge gesehen, die schwächere Männer den Verstand gekostet hätten. Wieder andere hielten ihn für den leibhaftigen Teufel und seine Männer für Dämonen. Aber niemand glaubte, dass man sich nicht vor ihm in Acht nehmen müsste.
    Abednego blieb stehen und drehte sich langsam zu der Person um, die es wagte, ihn aufzuhalten.
    »Entschuldigen Sie, Sir.« Mrs Usage bemühte sich, so etwas wie ein gewinnendes Lächeln aufzusetzen.
    Abednegos Gesicht blieb vollkommen unbewegt.
    »Ich habe Sie zufällig vorbeigehen sehen«, fuhr sie fort, »und da sagte ich zu meinem Sohn: ›Ach, wollen wir nicht die Gelegenheit nutzen und uns vorstellen?‹ – So war’s doch, oder, Villainous?«
    Villainous nickte stumm, den Blick auf den berühmten Schmugglerkapitän gerichtet.
    Sie redete weiter, unbeirrt von Abednegos Schweigen: »Ich bin die Witwe Usage. Sie kennen meine Familie bestimmt, Sir – von der Gentry.«
    Der Kapitän dort wirkte ein bisschen wie Gulliver, der von einer stark übergewichtigen Liliputanerin aufgehalten wird. Sein riesiger Körper war zwar unübersehbar anwesend, aber Abednegos Geist schien anderswo herumzuschweifen. Er hatte eindeutig Mühe, sich zu konzentrieren.
    Endlich rang er sich dazu durch, ihr zu antworten – er durfte sich nichts anmerken lassen, ermahnte er sich –: »Ich bin nicht hier, um wieder ins Geschäft einzusteigen.«
    Mrs Usage irritierte es nicht im Geringsten, dass Abednego ihre wahren Absichten so klar erkannte, als wären sie ihr auf die Stirn geschrieben. Vertraulich stupste sie ihn an der Schulter. Er sah hinab auf die Stelle, die sie berührt hatte, während sie in unbefangenem Ton fortfuhr, eisern entschlossen, nicht locker zu lassen: »Ach was, wer redet von Geschäften? Ich wollte nur Guten Tag sagen.«
    Die Umstehenden hielten den Atem an. Abednego verzog keine Miene. »Diese Unterhaltung wird zu nichts führen.«
    Ihre Laune schlug um. »Ich hab auch noch andere Möglichkeiten«, sagte sie mit einem drohenden Unterton.
    »Sie werden feststellen, dass das alles nichts nützt.« Die Unterredung war beendet. Er schüttelte Mrs Usages Hand ab und ging weiter.
    Unter den Leuten erhob sich aufgeregtes Geschnatter. Die Witwe fluchte und spuckte aus, während Villainous ängstlich von einem Fuß auf den anderen trat. »Das wird ihm noch leidtun«, zischte sie hasserfüllt.
    Als sie hinter Poppy an Bord der Fähre ging, fiel Felicity die Menschenansammlung auf, die sich um den Kapitän und eine ungeheuer dicke Frau gebildet hatte.
    »Kommen Sie, kommen Sie.« Ein stämmiger Mann mit einer gelben Hose, die seiner Figur nicht gerade schmeichelte, rempelte Felicity an. »Sie haben von hier eine schöne Aussicht. Es ist viel billiger und Sie bekommen etwas von unserer einmaligen Umgebung mit.« Er wedelte wichtigtuerisch mit einer zusammengefalteten Broschüre und dirigierte damit die Leute der Touristengruppe, mit der er unterwegs war. »Setzen Sie sich dort drüben hin. Auf der Steuerbordseite sehen Sie besser.«
    Die Fahrgäste schoben sich an Deck vorwärts und nahmen dicht an dicht auf den Bänken Platz. Das Fährboot legte ab. Es war ein herrlicher Herbstmorgen. Felicity atmete tief durch und drehte das Gesicht in den Wind, als das Schiff Fahrt aufnahm. Sie schaute landeinwärts in die Gassen und Höfe der Stadt, die nur vom Wasser aus zu sehen waren. Sie lebte am Meer, Schiffe und Boote waren für sie ein vertrauter Anblick, aber nur selten fuhr sie auf einem. Ob ihr das Segeln morgen wohl Spaß machen würde?
    »In diesem herrlichen, fast achtzig Meter langen Schiff steckt das Holz von etwa sechstausend Eichen – fast vierzig Hektar Wald mussten gerodet werden«, las der Dicke mit der gelben Hose aus seiner Broschüre vor.
    Felicity drehte sich um, und da wurde ihr plötzlich klar, dass der Mann von der Sturmwolke redete. Und er hatte recht gehabt: Man hatte von dem Fährboot aus wirklich einen sehr schönen Blick.
    Der Schiffsführer tat

Weitere Kostenlose Bücher