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Felicity Gallant und Das Auge des Sturms (German Edition)

Felicity Gallant und Das Auge des Sturms (German Edition)

Titel: Felicity Gallant und Das Auge des Sturms (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Welsh
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Aber das ist auch alles, was ich weiß. Meine Eltern haben nie von ihm gesprochen.«
    Henry schüttelte mitfühlend den Kopf: Eltern waren wirklich seltsame Wesen.
    »Warum haben sie mir nie was davon gesagt? Warum habe ich nicht mehr gefragt?«
    »Ich nehme an, dein Vater will einfach so tun, als hätte es das alles nie gegeben«, meinte Henry tröstend. »Wenn meine Eltern nicht über etwas reden wollen, stellen sie sich taub. Keine Ahnung, wie oft ich schon versucht habe, das Gespräch auf Motorräder zu lenken. Es ist jedes Mal, als kriegten sie kein Wort mit von dem, was ich sage.« Er verdrehte die Augen. »Als ob ich Luft wäre …« Er schien zu bemerken, dass er dabei war, ein bisschen abzuschweifen. »Na ja, jedenfalls gibt es eine Menge Leute, die sich heute dafür schämen, dass sie mal was mit der Gentry zu tun hatten.«
    Felicity sah ihn verständnislos an. »Wieso?«
    »Weißt du, die Gentry war mehr als eine gewöhnliche Schmugglerbande. So wie die das Geschäft betrieben, gehörte viel Können und Wissen dazu. Aber einigen war das zu mühsam, sie wollten schnell und einfach reich werden und darum verlegten sie sich auf die Strandräuberei.«
    »Strandräuberei?«
    »Sie lockten Schiffe mit Leuchtfeuern auf Riffe und Untiefen vor der Küste, plünderten das Wrack und stahlen die Ladung, die an den Strand gespült wurde. Aber die Schiffbrüchigen retteten sie nicht. Im Gegenteil, manchmal brachten sie die Überlebenden einfach um.«
    Felicity war wie betäubt vor Grauen. »Glaubst du, mein Vater hat da mitgemacht?«, fragte sie voller Angst.
    »Nein, das kann nicht sein, dafür ist er zu jung. Ich wollte dir nur erklären, warum die Meinungen über die Zeit, in der die Gentry hier das Sagen hatte, so weit auseinandergehen: Die einen finden, dass das die goldenen Jahre von Wellow waren. Für die anderen ist es ein dunkles Kapitel der Geschichte, an das man sich nur mit Scham erinnert.«
    Felicity schwieg betroffen. Sie tat Henry leid. Vielleicht hätte er ihr die harte Wahrheit etwas behutsamer beibringen sollen? »Hast du Lust, auf eine Tasse Kakao mit zu mir zu kommen?«, fragte er.
    Felicity zögerte. Ihre Mutter wollte bestimmt, dass sie von der Bibliothek direkt nach Hause ging – nach Hause, wo sie dann alleine im Gästezimmer sitzen und lesen würde.
    »Bei uns ist es zwar ein bisschen eng und laut, aber meine Mutter kann prima backen«, sagte Henry, dem das Schweigen peinlich war. »Oder hast du es eilig, zu deiner Großmutter zurückzukommen?«
    Das gab den Ausschlag.
    Felicity lächelte. »Danke, ich komme gern mit.«
    Henry trat mit Felicity in die Küche. Er nahm seine Mütze ab und fuhr sich mit der Hand durch die Haare. Seine Mutter stand am Herd, eine blaue Schürze um die füllige Taille gebunden, denn sie war gerade beim Plätzchenbacken.
    »Hallo, Engelchen.« Mrs Twogood strahlte und gab ihrem Sohn einen Kuss auf die Wange.
    »Mama!« Henry wischte sich verlegen etwas Mehlstaub vom Gesicht.
    »Ah, du hast einen Gast mitgebracht«, sagte sie erfreut.
    Henry warf ihr einen strafenden Blick zu, weil sie so tat, als wüsste sie nicht, wer Felicity war, und ihn damit zwang, sie ihr vorzustellen. »Mama, das ist Felicity. Felicity, das ist meine Mutter«, murmelte er.
    Mrs Twogood griff nach Felicitys Hand und befühlte sie. »Dachte ich’s mir doch – halb erfroren. Du brauchst unbedingt was Heißes zu trinken und dazu ein paar Plätzchen.«
    Felicity lächelte schüchtern.
    »Ist noch Milch da?«, fragte Henry und ging zur Speisekammer.
    »Ganz frische von Tante Jean.« Mrs Twogood stellte einen Topf auf den Herd.
    Felicity lehnte sich an die Küchenkommode. Dabei löste sich ein Blättchen Papier, das offenbar hinter einem der Regalbretter festgesteckt hatte, und fiel hinunter. Sie hob es auf. Ein dürres Zweiglein Rosmarin war mit einer Stecknadel daran befestigt, und es stand etwas darauf geschrieben:
    »Beschützt uns, ihr Edlen, vor der Herrin der Sturmwolke«, las Felicity vor, »die durchs Land streift und nimmt, was ihr nicht gehört. Sonderbar«, sagte sie. »Was ist das?«
    Henry verzog das Gesicht. »So eine Art Segensspruch aus den Zeiten der Gentry.« Er nahm den Zettel und musterte ihn. »Ein Schwindel für die ganz Doofen. Ich weiß gar nicht, wie das hierherkommt.«
    Mrs Twogood ging flink zu ihm hin und schnappte sich das Papier.
    Henry begann zu dämmern, wer den Zettel aufgehoben und versteckt hatte. »Für geistig Minderbemittelte … und für meine Mama, so wie

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