Felicity Gallant und Das Auge des Sturms (German Edition)
erklärte er stolz.
»Was bildet der sich ein, dass er mir einfach so eine Abfuhr erteilt? Nicht mit mir – meine Familie ist seit Generationen in dieser Branche.« Sie nahm ihm die Jagdbeute ab. »Natürlich will er wieder ins Geschäft einsteigen, wieso ist die Sturmwolke sonst hier?«
Villainous starrte sie ängstlich an. Er wusste genau, dass er besser nichts sagte, wenn seine Mutter in dieser Stimmung war.
»Aber er soll bloß nicht glauben, dass ich auf ihn angewiesen bin.« Sie schwenkte mit finsterem Blick den blutigen Kadaver. »Die Lady Georgia kommt im November hier vorbei, den Laderaum voller Gold. Das hole ich mir, und wenn Abednego nicht mitmachen will, dann schaffe ich es auch ohne ihn.«
Siebtes Kapitel
A
m Sonntagmorgen wehte eine herbstlich kalte Brise. Felicity musste um neun Uhr am Clubhaus sein und suchte die Sachen zusammen, die sie anziehen sollte. Dabei bemühte sie sich krampfhaft, nicht daran zu denken, was sie erwartete, wenn ihre Mitschülerinnen sie in ihrer zusammengewürfelten Kleidung sahen.
Bei ihrem erzwungenen Umzug hatte sie keine geeignete Hose mitgenommen, darum ging sie hinauf in ihr altes Zimmer, um eine zu holen. In der Tür blieb sie stehen und atmete den vertrauten Geruch ein, der ihr entgegenschlug. Die Herbstsonne schien durchs Fenster, ein paar Staubflusen schwebten in der Luft. Es war so ruhig und friedlich hier oben wie immer und doch wirkte der Raum irgendwie verändert.
Felicity trat ans Fenster. Auf der Fensterbank lag ein kleines Fernglas, hübsch verziert mit Emaille und vergoldeten Ornamenten. Ohne darüber nachzudenken, nahm sie es und schaute hinaus über die Dächer. Es war ein erstaunlich gutes Fernglas, Felicity sah alles wie aus nächster Nähe. Sie fühlte sich wie ein Vogel, der über die Stadt segelte in Richtung Meer. Die Sturmwolke , die immer noch in der Bucht vor Anker lag, geriet in ihr Sichtfeld.
Sie drehte an dem Perlmutträdchen, bis das Bild gestochen scharf war. Sie musterte die Sprossenfenster und die kunstvoll gedrechselten Pfosten der Reling, die Heckgalerie und die prächtig gearbeiteten Schiffslaternen, dann das riesige Gitterwerk der Masten und Rahen, Taue und Kabel.
Und da hörte sie plötzlich ein ganz leises Geräusch – Felicity hatte keine Schritte auf der Treppe wahrgenommen, aber sie wusste, dass jemand sie beobachtete. Sie drehte sich um und sah die Großmutter in der Tür stehen. Felicity lief es kalt über den Rücken. Die alte Dame kochte vor Zorn, ihr wütender Blick traf Felicity wie ein Schlag ins Gesicht.
Unwillkürlich verschränkte sie die Arme vor der Brust, wie um sich zu schützen. Wenn sie doch wenigstens die Holzkugel dabeigehabt hätte, aber die lag zusammen mit dem Buch unter ihrer Bettdecke versteckt. Die Großmutter wirkte vollkommen verändert – so wie am Tag zuvor im Hafen, als dieser Junge sie höhnisch gegrüßt hatte. Ihre Züge waren verzerrt. Von der herrischen Eleganz, die sie sonst ausstrahlte, war plötzlich nichts mehr übrig. Ihre Augen waren tief eingefallen, ihre Haut spannte sich wie Pergament über den fleischlosen Knochen.
Zornig schritt sie auf Felicity zu, die sich ängstlich mit dem Rücken gegen das Fenster drückte. Sie entriss dem Mädchen das Fernglas und beugte sich ganz weit vor. »Ist das eine Gewohnheit von dir, in anderer Leute Zimmern herumzuschnüffeln?«, zischte sie.
Felicitys Magen krampfte sich zusammen. Sie war wie versteinert vor Angst, obwohl sie sich sagte, dass sie eigentlich gar nichts Schlimmes getan hatte. Wieso sollte sie diesen Raum nicht betreten dürfen? Immerhin war das ihr Zimmer. »Ich wollte nur was von meinen Sachen holen, die noch hier sind«, sagte sie zur Erklärung.
Das Gesicht der Großmutter zuckte gereizt. »Du wolltest spionieren.«
»Nein.« Felicity bemühte sich, ruhig zu bleiben. »Ich brauche eine Hose, die ich zum Segeln anziehen kann, aber dann ging ich ans Fenster, weil der Blick von hier oben so schön ist, und da … da hab ich das Fernglas genommen. Es ist wirklich sehr hübsch«, fügte sie hinzu, in der Hoffnung, die Großmutter auf andere Gedanken zu bringen und irgendwie diese Hochspannung aufzulösen.
Es schien zu funktionieren. Die Großmutter blickte zum Fenster hinaus, und als sie sich Felicity erneut zuwandte, sah sie wieder wie sonst aus. Felicity fragte sich sogar, ob sie sich die erschreckende Verwandlung vielleicht nur eingebildet hatte.
Sie fasste etwas Mut. »Es ist ein wunderschönes Schiff«, sagte
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