Felicity Gallant und Das Auge des Sturms (German Edition)
anzufeuern. Die Herbstferien standen vor der Tür und alle schienen bester Stimmung zu sein. Felicity trat beklommen ein: Sie war die Einzige, die niemanden zu ihrer Unterstützung dabeihatte.
Sie stand neben dem Eingang und dachte bedrückt darüber nach, was die Großmutter gesagt hatte. Wieso blieb sie immer ein Außenseiter? Was hatte sie an sich, dass niemand sie mochte? Sie dachte an ihre Holzkugel. Felicity wusste, dass es albern war, aber sie wünschte, sie hätte die Kugel als Glücksbringer mitgenommen.
»Felicity.« Eine vertraute Stimme tönte aus dem Gedränge. »Entschuldigung, lassen Sie mich bitte mal durch? Vorsicht, heiß und fettig!«
Die Leute vor ihr machten widerwillig Platz und zwischen ihnen erschien zu Felicitys Erstaunen Henry, in der Hand einen Teller, voll beladen mit Essen vom Buffet. »Die Bratwürste sind echt gut hier«, sagte er kauend und hielt ihr den Teller hin. »Nicht ganz so gut wie die von meiner Mutter, aber man kann nichts Unmögliches verlangen. Willst du?«
Felicity schüttelte den Kopf. Sie war viel zu angespannt, um jetzt etwas zu essen. »Was machst du hier?«, fragte sie.
Henry zuckte die Achseln. »Ich dachte, so eine Regatta könnte ganz nett sein – und vielleicht gefällt es dir ja, wenn dich jemand anfeuert.«
Felicity lächelte dankbar. Sie wusste gar nicht, was sie sagen sollte. Etwas verlegen schaute sie umher. »Ich frage mich, ob mein Großvater wohl jemals hier war«, bemerkte sie.
»Soweit ich weiß, hat er das Clubhaus gebaut, und –« Henry wurde von Percy unterbrochen, der zusammen mit Will plötzlich auftauchte.
»Hier ist ja die ganze Prominenz versammelt – sogar die Blakes sind da!«, rief er spöttisch. »Wenn ich gewusst hätte, dass man hier auf eine so erlesene Gesellschaft trifft, hätte ich doch glatt meine beste Unterwäsche angezogen.«
»Ich fühl mich wie zu Hause hier«, sagte Will und wackelte weltmännisch mit dem Kopf. »Es geht doch nichts über so ein gemütliches Beisammensein mit den oberen Zehntausend.«
Percy schnappte sich ein gefülltes Ei von Henrys Teller.
»Hol dir gefälligst selber was«, knurrte sein Bruder.
»Wieso? Ich tu dir schließlich einen Gefallen«, sagte Percy. »Hallo, Felicity. Du kannst es wahrscheinlich kaum erwarten, endlich mal allen zu zeigen, wie’s geht?«
Felicity lachte. Natürlich war das ein Witz. Sie schaute sich nach den Mädchen ihrer Mannschaft um. In einiger Entfernung stand Miranda Blake, die für die Whale Chine ins Rennen gehen sollte. Sie winkte Felicity geziert zu, dann sagte sie etwas zu ihren Freundinnen. Alle drehten die Köpfe in Felicitys Richtung und lachten schallend. Felicity spürte ein Stechen in ihrem Magen.
»Dieses Mädchen ist echt ein Brechmittel«, bemerkte Will.
Felicity runzelte die Stirn. Neben Miranda Blake stand jemand, der ihr irgendwie bekannt vorkam. Eine hochgewachsene, schlanke Gestalt in einem Kleid, das ebenso schlicht wie teuer aussah. Sie war in eine Unterhaltung mit einer verkniffen lächelnden Dame und einem schnurrbärtigen Herrn vertieft und wandte Felicity den Rücken zu. War das etwa …? Felicity schaute noch einmal hin.
»Da ist meine Großmutter«, rief sie und klammerte sich an Henrys Arm. »Sie redet mit diesem Paar dort. Aber wie konnte sie so schnell hier sein? Und warum hat sie mir nicht erzählt, dass sie auch herkommen wollte?«
»Das sind die Blakes.« Henry legte eine gehörige Portion Verachtung in diesen einen kurzen Satz.
»Das Lächeln von Mrs Blake kommt mir ziemlich gezwungen vor«, bemerkte Percy.
Die Unterhaltung war offenbar beendet. Miranda flüsterte der Großmutter etwas zu, und diese drehte sich um. Sie sah ihre Enkelin, ging auf sie zu und musterte sie fragend. Eingeschüchtert stellte Felicity ihr die drei Brüder vor. Die Großmutter starrte Henry, Percy und Will verächtlich an.
»Es überrascht mich, dass du hier bist«, stotterte Felicity nervös.
Die alte Dame ignorierte die Bemerkung. »Mit was für Leuten du dich abgibst!«, sagte sie, drehte sich um und schritt zur Tür.
Felicity spürte, wie ihr vor Scham und Empörung das Blut ins Gesicht schoss.
»Sieht so aus, als wärst du nicht der einzige Mensch, den sie nicht mag«, meinte Henry.
»Es tut mir wirklich leid«, sagte Felicity peinlich berührt.
»Mach dir nichts draus«, sagte Will. »In unserer Verwandtschaft gibt es auch jede Menge Giftspritzen.«
Felicity seufzte. »Sie ist wirklich schwer auszuhalten.« Sie wandte sich an Henry.
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