Felicity Gallant und Das Auge des Sturms (German Edition)
dumm von ihr gewesen war, sich breitschlagen zu lassen – selbst wenn sie das ihrer wütenden Steuerfrau nie eingestanden hätte. Offenbar gehörte zum Segeln mehr, als sie geahnt hatte.
Sie fuhren jetzt auf die Startlinie zu, wo die anderen Boote versammelt waren. Jede Mannschaft versuchte, sich im Gedränge eine gute Position zu sichern. Manche kreuzten im Zickzack die Linie entlang, andere fuhren fast im Kreis, um möglichst nah an der Linie zu sein, wenn der Startschuss das Rennen eröffnete.
»Am besten wenden wir hier noch einmal«, rief Judy. »Weiß der Himmel, was du anrichtest, wenn wir versuchen, mitten unter den anderen zu manövrieren.«
Dieses Mal klappte es besser: Felicity wechselte im richtigen Moment die Seite und machte recht geschickt und schnell die Fockschot los und wieder fest. Im Hintergrund knallte es zum dritten Mal. Felicity sah sich irritiert um. Hatte das Rennen jetzt angefangen?
»Ja!«, jauchzte Judy. »Wir liegen vorn!«
Von hinten hörte Felicity, wie Miranda ihrem Ärger mit wüsten Beschimpfungen Luft machte. Sie kicherte. Grinsend sah sie ihre Partnerin an und zu ihrem Erstaunen lächelte Judy breit.
»Wer hätte das gedacht?«, sagte sie heiter. »Wir haben Miranda Blake aus der Fassung gebracht.«
Auf der Terrasse des Clubhauses verfolgten die Zuschauer gespannt das Rennen.
»Sie sind als Erste über die Startlinie gefahren«, rief Percy voller Bewunderung. »Felicity muss wirklich gut sein.«
Mrs Blake musterte die drei Twogoods voller Abscheu. »Was macht Miranda da für einen Blödsinn?«, zischte sie ihrem Mann zu.
Von seinem Platz in der Ecke aus beobachtete Jeb, wie Felicity und ihre Steuerfrau sich auf die nächste Wende vorbereiteten. »Sie hält sich gar nicht so schlecht«, sagte er zögernd.
Isaac Tempest lächelte. »Lass ihr ein bisschen Zeit. Wenn sie erst ein Gefühl fürs Segeln kriegt, wird sie zeigen, was sie draufhat. Es liegt ihr im Blut.«
»Warum muss sie denn überhaupt segeln?«, fragte Jeb, der noch nicht wusste, was dem ernsten Mädchen, das da in dem Boot saß, abverlangt werden würde.
»Es gibt ihr Selbstvertrauen und Mumm. Und sie wird beides brauchen«, sagte sein Großvater.
Felicity und Judy umsegelten die erste Wendemarke. Obwohl ihre Beine klatschnass waren, machte Felicity die Sache immer mehr Spaß. Vielleicht lag es an der reinen Seeluft oder am frischen Wind, aber jedenfalls fühlte sie sich ungeheuer lebendig. In dem kleinen Boot war sie dem Meer ganz nahe, spürte unmittelbar jede Welle. Und ihr war zumute, als würde sie genau dorthin gehören.
Sie hielten auf die zweite Marke zu, eine Signaltonne mit einem großen orangefarbenen Dreieck obendrauf. »Da müssen wir eine saubere Halse hinkriegen, und danach halten wir Kurs auf die nächste Marke.« Judys Stimme klang ein bisschen hektisch. »Es geht rauer zu als beim Wenden, weil wir jetzt vor dem Wind segeln.«
Felicity nickte, obwohl sie nicht so genau verstand, was das alles zu bedeuten hatte. Als sie sich der Tonne näherten, legte Judy das Ruder um, sodass die Jolle ihren Kurs um etwa sechzig Grad änderte und sich drehte. Der Wind fuhr jetzt von der anderen Seite in das kleine rote Segel, der Baum schwang mit einem heftigen Ruck herum, aber die beiden Mädchen waren darauf vorbereitet. Felicity reagierte schnell und machte das Focksegel geschickt auf der anderen Seite fest. Dass sie ihre Schuhe verloren hatte, erwies sich nun als Vorteil: Sie spürte das Boot besser, hatte das Gefühl, dass sie ganz im Einklang mit ihm war, und bewegte sich flink und sicher.
»Keine Angst«, rief Judy, als sie auf der anderen Seite der Ruderpinne Platz genommen hatte. »So eine Halse fühlt sich immer ziemlich haarig an, aber meistens geht alles gut.«
Felicity grinste. »Mir geht’s prima«, schrie sie fröhlich. Und das stimmte.
Jeb und Isaac sahen gespannt zu, wie Felicity und Judy die Signaltonne umsegelten.
Isaac nickte. »Nicht übel«, murmelte er. »Gar nicht übel.«
»Wie haben es die Usages eigentlich geschafft, sich in die Gentry einzuschleichen?«, fragte Jeb.
»Die mussten sich gar nicht einschleichen, die gehörten von Anfang an dazu.«
»Ich verstehe das nicht, was haben solche Leute in der Gentry zu suchen? Die passen da doch gar nicht rein!«
»Doch, die passen rein«, sagte Isaac gelassen. »Genau das ist der springende Punkt: In der Gentry gab es genauso viel ordinäre Geldgier und Selbstsucht wie Mut und Ehrgefühl. Solange wir uns das nicht
Weitere Kostenlose Bücher