Felicity Gallant und Das Auge des Sturms (German Edition)
hielt sie fest, so wild sie auch strampelte. Sie war so außer sich, dass sie alle Furcht und Vorsicht ganz vergaß, sie schlug mit Armen und Beinen um sich, wand sich, zappelte, aber es half nichts. Abednego klemmte sie unter den Arm, trug sie die kurze Leiter hinauf zum Kai und stellte sie ab wie ein Paket. Die Großmutter und Miranda lachten.
Felicity wusste nicht, was sie machen sollte. Tränen liefen ihr übers Gesicht, sie keuchte und schluchzte. Henry und Martha waren nirgends zu sehen, die Menge hatte sie verschluckt.
»Miranda, du musst mir helfen«, stieß sie heiser hervor.
Die Kleine blieb ungerührt. »Was für ein Getue«, seufzte sie.
Abednegos riesige Gestalt versperrte Felicity den Weg zurück zum Landungssteg. Sie versuchte, an ihm vorbeizuflitzen, aber er hielt sie fest. Er beugte sich zu ihr hinunter, sodass sie ihm aus nächster Nähe ins Gesicht sah. Sie erstarrte vor Überraschung. Er hatte Tränen in den Augen.
»Ich habe alles getan, was in meiner Macht steht, um dir zu helfen. Mehr kann ich nicht tun«, sagte er leise.
Felicitys wilde Entschlossenheit sank in sich zusammen. Es war aussichtslos: Sie kam nicht an ihm vorbei. Sie gab auf und sah resigniert zu, wie Abednego ins Boot stieg und ablegte.
»Sieht so aus, als wäre sie endlich zur Vernunft gekommen«, bemerkte Miranda.
Die Großmutter lächelte boshaft und nahm das Baby wieder an sich. »Adieu, Felicity«, rief sie.
Der Wind fuhr in Felicitys Haare und wehte ihr eine Strähne vor die Augen. Sie verschleierte ihr den Blick auf das Boot, das sich immer weiter entfernte.
Zwanzigstes Kapitel
F
elicity stand da mit verweintem, rotfleckigem Gesicht und beobachtete, wie Abednego zur Sturmwolke hinüberruderte. Die Großmutter hielt ihre kleine Schwester in ihren Klauen, neben ihr saß dümmlich grinsend Miranda Blake.
Die alte Frau warf ihrer Enkelin einen letzten triumphierenden Blick zu. Felicity packte blanke Wut, all die bissigen Bemerkungen, Grausamkeiten und Gemeinheiten, mit denen dieses Scheusal sie gequält hatte, kamen ihr wieder in den Sinn. Diese Hexe, diese hundsgemeine Hexe. Und jetzt sollte sie einfach so davonfahren?
Felicity sprang hinunter auf die Landungsbrücke und rannte zu Henrys Boot so schnell sie nur konnte. Der Zorn, der in ihrer Brust brannte, ließ sie alle Furcht und Vernunft vergessen. Was bildete die alte Schachtel sich eigentlich ein? O nein, Felicity würde es bestimmt nicht kampflos hinnehmen, dass dieses böse Weib ihre kleine Schwester verschleppte.
Während sie die Segel aufzog, dachte sie darüber nach, wo wohl ihre Eltern und Poppy waren. Ob ihnen etwas passiert war? Aber sie schob ihre Befürchtungen beiseite. Sie machte den Pinnenausleger klar, den man beim Einhandsegeln braucht, und holte das Großsegel dicht. Die Jolle nahm Fahrt auf. Felicity steuerte weg vom Steg, dann holte sie das Focksegel dicht und belegte die Schot auf der Klampe. Sie hielt Ausschau nach Abednego. Ich habe alles getan, was in meiner Macht steht, um dir zu helfen, hatte er gesagt. Was hatte er denn getan?, dachte sie verbittert. Gar nichts.
Viele Augen beobachteten Felicity. Auf dem Kai drängelte sich Jeb zu Isaac durch. »Sie wird doch nicht alleine da rausfahren?«, fragte er besorgt.
»Sie schafft das schon«, antwortete sein Großvater.
Zur selben Zeit entdeckte die Großmutter die Jolle mit den roten Segeln, die sie verfolgte. »Soll sie doch versuchen, uns einzuholen«, sagte sie höhnisch. »Ich bin gespannt, ob sie es schafft mit so viel Übergewicht.« Miranda ließ ein silberhelles Lachen hören.
Abednego ruderte flott, trotzdem wurde der Abstand zwischen den beiden Booten schnell kleiner. Felicity lehnte sich akrobatisch weit hinaus, damit die Jolle in der Waage blieb.
»Was für eine lästige kleine Stechmücke«, murmelte die Alte.
Miranda setzte ein schelmisches Lächeln auf. »Eine ungewöhnlich korpulente Stechmücke, finden Sie nicht?«, fragte sie.
Die Großmutter tätschelte ihre Wange. »Wenn sie nicht freiwillig umkehrt, helfen wir eben ein bisschen nach«, sagte sie.
Am Horizont erschien dunkel und bedrohlich eine Sturmböe. Sie warf ihren Schatten aufs Meer und aufgewühlte Wellen mit weißen Schaumkronen zeigten sich. »Oh, ein kluger Schachzug!« Miranda patschte entzückt die Hände zusammen.
»Nur eine Kleinigkeit, um sie zu erschrecken«, murmelte die Alte.
Auch die Leute auf dem Kai sahen die Sturmböe kommen. Sie beobachteten, wie Felicity ganz ruhig und geschickt
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