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Felicity Gallant und Das Auge des Sturms (German Edition)

Felicity Gallant und Das Auge des Sturms (German Edition)

Titel: Felicity Gallant und Das Auge des Sturms (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Welsh
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sie den Kopf von der Tischplatte. Verschwommen nahm sie ihre Umgebung wahr, die Gaststube des Wirtshauses Zum goldenen Fernrohr . Letzte Nacht hatte sie ihre Enttäuschung im Alkohol ertränkt – dafür musste sie jetzt bezahlen.
    Ein paar ihrer Saufkumpane waren auch noch da und schliefen ihre Räusche aus. Einer schrak hoch und glotzte Mrs Usage an, aber sie ignorierte ihn und die Essensreste in seinem Gesicht. Sie wuchtete sich hoch und wankte hinaus. Es war Zeit, nach ihrem Sohn zu schauen, diesem Schwachkopf.
    Das Quietschen der rostigen Angeln und der dumpfe Knall, als die Haustür zugeschlagen wurde, zeigten Villainous an, dass seine Mutter heimgekommen war. Schon in aller Frühe hatte er sich gewaschen und angezogen, er sah so sauber und ordentlich aus wie seit Jahren nicht mehr. Aber nicht nur das veränderte seine Erscheinung. Seine Haltung war anders, er stand aufrecht und gerade, nicht krumm und geduckt. Er strahlte fast so etwas wie eine stille Würde aus. Das Unternehmen der vergangenen Nacht war eine Feuertaufe für ihn gewesen.
    Etwas tief in ihm zuckte furchtsam zusammen. Die Spuren, die ein Leben voller Angst in einer Menschenseele hinterlassen hat, verschwinden nicht im Lauf einer einzigen Nacht. Aber Villainous war entschlossen, von vorne anzufangen.
    Mrs Usage trampelte ins Zimmer. »Aha, da ist er ja, der große Held.« Sie grinste höhnisch.
    Villainous schwieg.
    »Ein schöner Sohn bist du. Besser keinen als so einen«, knurrte sie.
    Er nickte. »Ich weiß, dass du das denkst«, sagte er. Er blieb ganz ruhig – er war so oft geschlagen worden, dass er schon lange keine Tränen mehr hatte –, aber es tat weh. Sie war eine schreckliche Mutter, aber sie war alles, was er hatte, und jetzt verlor er sie: Er musste sich ändern – sie würde immer so bleiben, wie sie war.
    Felicity, Henry und Martha ankerten in der Soul Bay und aßen die belegten Brote, die Mrs Twogood ihnen mitgegeben hatte. Es ging eine sanfte Brise, die Sonne schien, es war ein wunderschöner Tag. Felicity schloss die Augen und genoss die herrliche Luft, die über sie strich. Der Geruch des Meeres war für sie das reinste Lebenselixier. Das Licht der Frühlingssonne blitzte auf den Wellen. Segeln zu gehen war eine tolle Idee gewesen.
    »Das ist genau das Richtige heute«, sagte Henry fröhlich.
    Auch Martha machte die Sache Spaß. Ihr sommersprossiges Gesicht strahlte. »Es ist hübsch hier. Ich verstehe jetzt, warum ihr so gerne segelt.«
    Felicity lächelte ihren Freunden zu. »Ich bin euch wirklich dankbar«, sagte sie ernst. »Ich meine: Ihr seid immer für mich da, und dabei … habt ihr es oft wirklich nicht leicht mit mir.«
    Henry grinste. »Ja, manchmal bist du eine richtige Nervensäge. Aber so was muss eine Freundschaft aushalten.«
    »Klar«, sagte Martha.
    Felicity blickte sich versonnen um. Die Farben waren heute so lebhaft: das Orange der Sandsteinklippen, das Blau des Himmels, das Smaragdgrün des Meeres. Herrlich. Sie wünschte, es könnte immer so bleiben. Sie stellte sich vor, sie würden einfach fortsegeln und nie mehr zurückkommen.
    Der Hafen geriet ihr in den Blick. Er war ziemlich weit weg, die Boote sahen wie kleine dunkle Pünktchen aus. Sie runzelte die Stirn. »Im Hafen ist ziemlich viel Betrieb«, sagte sie. »Ist irgendwas Besonderes los heute?«
    Henry spähte in dieselbe Richtung. Ihm fiel das lebhafte Hin und Her dort drüben auch auf.
    Er kramte in seiner Tasche, zog ein Minifernglas hervor und schaute hindurch. »Die schaffen Sachen zur Sturmwolke hinaus – Ladung!«, sagte er aufgeregt. Felicity und Martha zuckten verständnislos die Achseln. »Das Schiff wird bald auslaufen!«
    Felicity blieb vor Überraschung der Mund offen stehen. »Das bedeutet nichts Gutes«, sagte sie.
    Mrs Gallant wusste, dass irgendetwas nicht in Ordnung war. Eine neue Welle von scheußlich schmerzhaften Krämpfen im Bauch überkam sie. Sie klammerte sich an die Kante des Küchentischs.
    »Das ist nicht normal«, stöhnte sie voller Angst, als sie endlich wieder sprechen konnte. »Es ist zu früh.«
    Die Großmutter erschien lautlos in der Tür. »Nicht jeder hat so viel Geduld wie du«, sagte sie.
    »Oh« – Mrs Gallants Blick fiel auf die Tasche, die ihre Schwiegermutter in der Hand hatte –, »wie aufmerksam von dir, dass du ein paar Sachen für mich gepackt hast.«
    »Komm, Anne«, sagte die alte Dame, nahm sie am Arm und führte sie aus dem Haus. Als sie durch den Vorgarten gingen, wirbelten Blätter

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