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Felicity Gallant und das steinerne Herz (German Edition)

Felicity Gallant und das steinerne Herz (German Edition)

Titel: Felicity Gallant und das steinerne Herz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Welsh
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sie dann zu fürchten?
    Felicity stand im Flur und atmete den vertrauten Geruch ein. All die Sachen von Alice waren noch da. An den Garderobehaken an der Wand hing in buntem Durcheinander ihre Sammlung von Hüten und anderen Kopfbedeckungen – ein Bowler, ein Fez, Kopftücher, Filzkappen, Topfhüte, eine Anzahl Strickmützen, eine Tiara und ein Taucherhelm.
    Neben der Tür zum Wohnzimmer standen eine große Arche Noah, eine Schaufensterpuppe und ein Blasebalg. Alles war von einer dünnen Staubschicht bedeckt. Felicity trat ein. Unzählige Bilder hingen an den Wänden – gerahmte Karten, Ölbilder, Drucke, Fotos. Alles sah so aus wie an dem Tag, als Felicity zum letzten Mal hier gewesen war.
    Sie nahm auf dem verblichenen roten Sofa Platz, direkt neben einem alten Globus, der auf ein Kissen drapiert war. Was hatte Alice für sie hinterlegt? Auf dem Esstisch lag ein Buch.
    Felicity sah es sich näher an. Es war kein
gedrucktes
Buch, sondern eine in Leder gebundene Kladde, wie man sie für handschriftliche Aufzeichnungen benutzt. Sie war offensichtlich alt, der lederne Einband dunkel und abgewetzt, die Bindung brüchig, das Papier zerfleddert. Ein Zettel mit einer eilig hingekritzelten Nachricht steckte zwischen den Seiten:
    Liebste Felicity,
     
    immer denke ich wehmütig an die Stunden zurück, die wir zwei miteinander verbracht haben. Darum hier ein kleines Zeichen meiner Verbundenheit. Aber wenn ich den Blick vorwärts richte, bin ich froh: Du hast Freunde, auf die Du zählen kannst – das ist ein großes Glück. Bei Euren Fahrten und Ausflügen im vergangenen Jahr hast Du unter Henrys Anleitung Freude am Segeln gefunden. An sportlichen Erfolgen wird es Dir in der Zukunft sicher nicht mangeln.
     
    Alles Liebe
    Deine Alice
    Felicity las es mit Tränen in den Augen. Alices Schreiben schien darauf hinzudeuten, dass sie nicht damit rechnete, nach Wellow zurückzukehren. Felicity wischte sich mit dem Ärmel übers Gesicht. Ihr Blick fiel auf das Postskriptum:
    PS : Beachte Seite 120 Deines Buchs.
    Sie stutzte und blätterte zu der angegebenen Stelle. Ein Blatt Papier lag da. Sie betrachtete es, doch dann fiel ihre gespannte Erwartung in nichts zusammen: Es war eine Strickanleitung. Die gute Alice – immer ein bisschen verrückt. Sie steckte den Zettel in ihre Manteltasche.
    Das Buch enthielt nur wenige Datumsangaben. Offenbar hatte es Alice als eine Art Merkheft gedient, in dem sie allerlei interessante Erlebnisse und Ereignisse festgehalten hatte. Außerdem hatte sie immer wieder kleine Zettel und Papierfetzen mit kurzen Texten eingeklebt. Auf die Innenseite des vorderen Einbanddeckels hatte sie geschrieben:
    »… alles muss einen Hüter haben – so will es die Ordnung der Welt –, und so war es die Pflicht dieser Mädchen, die Elemente der Natur im Zaum zu halten: Wasser, Feuer, Erde und Wind.«
    Die Worte machten Felicity traurig:
die Pflicht dieser Mädchen.
Es war eine so ungeheuer große und schwere Aufgabe, bis in alle Ewigkeit über diese Naturgewalten zu wachen, damit die Welt vor Schaden bewahrt blieb.
    Sie lief durch die Stadt zu Henrys Haus, sie konnte es kaum erwarten, ihm von dem Buch zu erzählen. Es dämmerte eben, als sie ankam. In der Küche der Twogoods war es warm, und es roch nach der frisch gewaschenen Wäsche, die über dem Herd zum Trocknen aufgehängt war. Bei den Twogoods war jeder Tag Waschtag.
    »Hallo, Schätzchen.« Henrys Mutter gab ihr einen mehligen Schmatz auf die Wange. Sie rieb Felicitys Hände. »Du bist ja ganz durchgefroren. Du musst mehr auf dich achtgeben. So ein zartes Geschöpf wie du kann sich leicht den Tod holen.«
    Felicity unterdrückte ein Kichern.
    »Am besten isst du erst mal ein Stück Kuchen, damit du zu Kräften kommst«, empfahl Mrs Twogood in entschiedenem Ton. Felicity nahm sich eines von dem Blech, das auf dem Tisch stand. Henrys Mutter konnte ausgezeichnet backen.
    Sie strich Felicity übers zerzauste Haar. »Sie sind im Wohnzimmer, Schätzchen«, sagte sie. »Nimm dir ein Glas Milch mit.«
    Als Felicity den Kopf durch die Wohnzimmertür steckte, sah sie Henry, Percy und Will vor dem Kaminfeuer sitzen. Sie rösteten gerade Brotstücke und stritten erbittert über die Frage, wie viel Butter man nehmen musste.
    »Jede Menge, Mann«, rief Henry. »Je mehr, desto besser.«
    »Quatsch, ein kleiner Klacks, das reicht.« Percy nahm Henry den Teller und das Messer weg.
    Felicity zog ihre Jacke aus und setzte sich auf den Boden.
    »Schau mal«, sagte sie zu

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