Felicity Gallant und das steinerne Herz (German Edition)
Henry, der jetzt mit der Marmelade beschäftigt war.
»Toll, ein Buch.« Es klang wenig begeistert. »Ich bin ein großer Bücherfreund, wie du weißt.«
Felicity seufzte. »Es ist Alices Tagebuch.«
»Ein
gestohlenes
Buch – auch das noch!«, sagte Percy. »Die Lektüre muss ein berauschendes Erlebnis sein: Langeweile, gepaart mit Angst, erwischt zu werden.«
»Alice hat es für mich in ihrem Haus liegen lassen«, sagte Felicity leicht gereizt. »Von Stehlen kann keine Rede sein.«
»Höchstens von Einbrechen. Woher weißt du denn, dass es für dich gedacht war?«
Felicity erzählte von ihrem Gespräch mit Rafe und las den Brief vor, den Alice ihr geschrieben hatte, mitsamt dem rätselhaften Hinweis in der letzten Zeile.
»Du wirst doch hoffentlich jetzt nicht wieder damit anfangen, diesen roten Wälzer die ganze Zeit mit dir rumzuschleppen, oder?«, fragte Henry.
Felicity sah ihn verständnislos an.
»Kapierst du nicht?«, rief Percy. »Alice meint das
andere
Buch, das mit dem roten Einband, ohne das du monatelang praktisch nie aus dem Haus gegangen bist.«
Beachte Seite 120 Deines Buchs.
»Findet ihr es nicht sonderbar, dass Alice mir so eine rätselhafte Nachricht hinterlassen hat?«
»Ach, Felicity«, seufzte Percy. »Du hast einen übertrieben starken Hang, überall Merkwürdigkeiten zu wittern.«
»Ja, eine etwas lebhafte Fantasie«, meinte Will.
»Das ist immerhin das Tagebuch einer
Hüterin
«, sagte Felicity. »Ihr werdet doch nicht behaupten wollen, dass das nichts Besonderes ist?«
Henry schnappte sich das Buch, schlug es irgendwo auf und las vor, was da stand: »Mehl, Hackfleisch, Butter, Backpulver, Schinken, Eier … O ja, wirklich, das reißt einen glatt vom Hocker.« Er grinste selbstzufrieden. »Könnte ein Bestseller werden.«
Felicity nahm ihm das Buch wieder weg. »Du weißt doch, wie Alice ist«, sagte sie. »Kann sein, dass sie auch mal ihre Einkaufsliste da reingeschrieben hat – na und? Das beweist noch lange nicht, dass das Ganze uninteressant ist.«
Will zog ein längliches Kästchen hervor, das mit einem bunten Karomuster in Einlegetechnik hübsch verziert war. »Stimmt schon«, meinte er versöhnlich, »aber ich schlage vor, wir besiegen dich jetzt erst mal im Backgammon, und nachher kannst du dich in aller Ruhe wieder deinem Buch widmen.«
Felicity runzelte die Stirn. »Ihr wollt gegen mich gewinnen? Das habt ihr in den letzten zwei Wochen kein einziges Mal geschafft. Wenn ihr glaubt, ihr könnt das jetzt ändern, habt ihr euch getäuscht.«
Als Felicity gegangen war, schaute Henry in der Küche vorbei, um zu erkunden, wann es etwas zu essen gab. Er war ganz ausgehungert. Zu seinem Leidwesen musste er feststellen, dass seine Mutter noch mit Bügeln beschäftigt war. Ein ganzer Berg Wäsche türmte sich neben ihr. Sein Vater saß am Küchentisch und las Zeitung.
Mrs Twogood lächelte ihrem Sohn zu. »Hallo, Engelchen.«
Henry hörte es nicht gern, wenn sie ihn so nannte, aber er verkniff sich jeden Kommentar. Im Wohnzimmer nebenan hörte er Percy und Will streiten. Seine Mutter musterte kritisch eine Hose, an der noch feiner Sand klebte, dann ging sie vor die Tür, um sie gründlich auszuschütteln. »Überall dieser Sand«, murmelte sie. »Der macht mein Bügeleisen kaputt.«
Percy und Will tauchten auf.
»Gibt’s nicht bald Abendessen?«, fragte Percy. Er setzte eine Leidensmiene auf. »Ich bin praktisch am Verhungern.«
»Ich glaub, mein Magen fängt gleich an, sich selber aufzufressen, wenn ich nicht bald was zu beißen kriege«, stöhnte Will.
»So schlimm wird es schon nicht sein. Nehmt euch ein Beispiel an Henry. Der hält es ganz gut aus«, sagte Mrs Twogood.
»Das ist was anderes.« Percy grinste boshaft. »Verliebte haben bekanntlich keinen Hunger.«
»Felicity und ich sind einfach befreundet, weiter nichts. Wie oft soll ich dir das noch sagen?«, fauchte Henry wütend.
»Und sie sind leicht reizbar«, bemerkte Will.
Henry boxte seinen älteren Bruder gegen die Brust, der packte ihn und hielt ihn im Schwitzkasten fest, während Percy das Gesicht des wehrlosen Opfers bearbeitete.
»Ihr hört jetzt sofort auf damit, sonst sorge ich dafür, dass ihr es mit eurem Vater zu tun kriegt«, rief Mrs Twogood.
Die Zeitung, hinter der sich Mr Twogood verschanzt hatte, bewegte sich nicht.
»Was immer das ist, was da auf dem Herd köchelt, es riecht einfach köstlich. Das kannst du doch nicht mit uns machen, das ist die reinste Folter«, sagte Percy,
Weitere Kostenlose Bücher