Felicity Gallant und das steinerne Herz (German Edition)
spitzen Fingern, als wäre es zerbrechliches Glas.
»Und außerdem gibt es natürlich auch noch jede Menge anderes Zeug, das Alice da reingekritzelt hat – so ist sie eben –, Einkaufslisten, Notizen von der Art: Blumen für Mrs Smith besorgen!!!, Kochrezepte et cetera«, sagte Felicity. »So was wie hier.«
Pflaumen-Walnuss-Marmelade
1 Pfund Pflaumen
1 Pfund Orangen
1 Zitrone
1 Pfund Rosinen
1 Pfund Zucker
gehackte Walnüsse
Die Pflaumenkerne mit 1 Tasse Wasser eine halbe Stunde kochen, dann Flüssigkeit abgießen und beiseitestellen. Früchte waschen und in nicht zu kleine Stücke schneiden, mit Zucker und Pflaumenkernsud vermischen und eine Stunde ziehen lassen, anschließend eine Stunde kochen. Topf vom Herd nehmen und Walnüsse zugeben. Noch heiß in Gläser abfüllen.
»Klingt gut«, meinte Henry. »Das isst man auf Toast, nehm ich an.«
Martha sah sich das Buch noch einmal von allen Seiten an. »Das ist wirklich sehr aufmerksam von Alice«, sagte sie. »Man muss es allerdings sehr vorsichtig behandeln, damit man es nicht kaputt macht. Eigentlich müsste es neu gebunden werden. Schau mal, da ist der Falz gebrochen, der Buchrücken hängt nur noch ganz lose … Was ist denn
das
?« Ihre Stimme überschlug sich fast vor Aufregung. »Da steckt was drin!«
Sie gab das Buch Felicity, die es gegen das Licht hielt. Tatsächlich: Zwischen Buchrücken und Buchblock klemmte ein Stück Papier. Mit zitternden Fingern zog sie es heraus, faltete es auf und las vor, was daraufstand:
Die Hüterin des Windes war an diesem Tag schlechter Laune. Ihre Schwestern gingen ihr auf die Nerven und sie suchte Streit. Die Erdhexe hasste sie, weil sie ihr den Geliebten weggenommen hatte, ihre einzige große Liebe. Sie kam über diesen Verlust nicht hinweg: Ihr Schmerz blieb immer frisch, als würde ihr jeden Tag von Neuem mit einer schartigen Klinge ein Stück ihres Herzens abgeschnitten. Aber die Windhexe hatte ihre Schmerzensmiene gründlich satt. Sie fing an, mit ihrer Macht und Schönheit zu prahlen: Niemand könne sich mit ihr vergleichen, niemand könne ihr widerstehen, sagte sie. »Ich kann jeden Mann in den Wahnsinn treiben. Ich kann die größten Schiffe zerstören, wenn ich nur mit den Fingern schnippe.« Diese Reden ärgerten die Erdhexe. »Ich bin die Stärkste von uns vieren, das weißt du genau«, sagte sie. »Stein ist stärker als Luft.« Die Windhexe sah sie mit zornig funkelnden Augen an. »Nie und nimmer«, fauchte sie. Die Feuerhexe versuchte, die aufgebrachten Gemüter zu beruhigen. »Misch du dich nicht ein«, sagte die Windhexe erbost. »Als du mir geholfen hast, diese Locke zu stehlen, hat dich der Familienfriede auch nicht gekümmert.« »Was für eine Locke?«, fragte die Erdhexe argwöhnisch. Die Feuerhexe zuckte hilflos die Achseln. »Ich weiß überhaupt nicht, wovon sie redet.« »Natürlich! Jetzt will sie nichts mehr davon wissen.« Die Windhexe lachte höhnisch. Die Erdhexe ließ nicht locker. »Was hast du getan?«, fragte sie. Die Feuerhexe beteuerte weiter ihre Unschuld, aber ihre Schwester glaubte ihr nicht. »Du hast keinen Finger gerührt, um mir zu helfen in all der Zeit, als ich von meinem Geliebten getrennt war«, sagte sie verbittert. Daraufhin hatte die Feuerhexe genug und sie ließ ihre zwei Schwestern allein weiterstreiten. Die Windhexe frohlockte. »Wenn du mir beweisen kannst, dass du stärker bist als ich, erzähle ich dir, wie es wirklich war«, sagte sie. Die Erdhexe ging darauf ein. Sie verwandelte sich in einen alabasterfarbenen Granitblock, nur ihr Herz blieb blutrot, weil es immer noch voller Liebe war. Und da packte die Windhexe die Gelegenheit beim Schopf: Mit all ihrer Kraft hob sie den versteinerten Körper ihrer Schwester hoch empor in die Lüfte und ließ ihn dann fallen, sodass er in Millionen und Abermillionen Stücke zersprang. Die Feuerhexe war entsetzt. »Was wird der Herr des Himmels sagen, wenn er es erfährt?«, fragte sie. »Du wirst es niemandem verraten«, erwiderte die Windhexe.
»Die
Herrin
hat ihre Schwester in Millionen Teile zerschmettert«, sagte Felicity leise.
Martha nickte. »Das ist der Grund, warum sie verschwunden ist. Und offenbar wollte Alice, dass du das weißt.«
»Da kommt dein alter Freund«, flüsterte Henry. Felicity schaute über die Schulter und stopfte hastig die beiden Bücher und das Blatt Papier in ihre Schultasche.
»Ah, Miss Gallant!«, rief Povl Usage erfreut. »Schön, dass ich dich treffe. Ich habe einige
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