Felicity Gallant und das steinerne Herz (German Edition)
unserer Schule«, sagte sie zu Rafe. »Du hast ihm ein Autogramm gegeben – du weißt schon, auf dieser Broschüre.«
»Sie interessieren sich für die Gentry?«, fragte Rafe freundlich.
Povl Usage nickte. »Ich habe mich ein bisschen mit ihrer Geschichte befasst.«
Seine Leidenschaft für die Gentry war mittlerweile in der ganzen Schule bekannt. Er zeigte Rafe die Bücher, die er dabeihatte, darunter
Gärten der Gentry, Artefakte der Gentry
und
Legenden über die Sturmwolke. »
Die Buchhandlungen hier sind ausgezeichnet. Ich habe eine ganze Reihe von Titeln gefunden, die ich noch nicht kannte. Ihr Garten muss wunderschön sein. Sie haben ihn damals Ihrer Frau geschenkt, nicht wahr?«
Rafes Gesicht verdunkelte sich. »Aura hat auf dem Grundstück einiges nach ihrem Geschmack umgestalten lassen«, sagte er.
Felicity runzelte überrascht die Stirn. Sie hatte nie daran gedacht, dass die
Herrin
eine Zeit lang in Rafes Haus gewohnt hatte. Aber natürlich musste es so gewesen sein.
»Sie hatte einen exquisiten Geschmack, wie es scheint.« Eifrig schlug er ein Buch auf, um Rafe einige Bilder zu zeigen: vom Gemüsegarten, von einer Wasserpumpe, einer besonders schönen Trauerweide und einer Haselnusspergola.
Rafe sagte nichts dazu.
Die beiden Männer, die einander da gegenüberstanden, boten einen merkwürdigen Anblick: Der ältere, aber immer noch sehr gut aussehende Herr, elegant gekleidet, wirkte wie das Gegenbild des blassen, linkischen Povl Usage, der wie immer einen scheußlichen Rollkragenpullover und eine Cordjacke trug. Hatte er wirklich nichts anderes anzuziehen als diese Sachen, die andere Leute längst in die Altkleidersammlung gegeben hätten?
»Ich muss jetzt gehen«, sagte Mr Usage, der offenbar endlich bemerkte, dass er störte. »Es war mir eine große Ehre, mit Ihnen sprechen zu dürfen.«
Poppy verzog das Gesicht, als er davonging.
»Tut mir leid, Großvater«, sagte Felicity. Sie neigte dazu, sich für Dinge zu entschuldigen, für die sie gar nichts konnte.
Rafe wedelte nachlässig mit der Hand. »So ist das eben – vielleicht sollte ich mich geschmeichelt fühlen, weil ich so bekannt bin. Und ein kleiner Wermutstropfen muss sein, sonst wäre der Tag zu perfekt gewesen.« Er grinste ironisch.
»Ja, das stimmt. Danke für alles«, sagte Poppy und Felicity nickte.
Rafe sah seine Enkelinnen lächelnd an. »Es war mir ein Vergnügen.«
Endlich kam Heiligabend, der Tag des großen Fests. Schon beim Aufwachen spürte Felicity ein Flattern im Magen. Sie verging fast vor Ungeduld – wie sollte sie die Stunden überstehen, bis es endlich Abend war?
Poppy ging zu einer Freundin und so musste Felicity sich alleine beschäftigen. Sie wusch sich die Haare, staubte ihre neuen Schuhe ab und legte die Sachen, die sie bei dem Fest tragen wollte, auf ihrem Bett aus. Sie versuchte zu lesen, aber die Buchstaben tanzten vor ihren Augen.
Sie räumte ihr Zimmer schön ordentlich auf, aber auch das war keine tagfüllende Beschäftigung. Ihre Mutter runzelte die Stirn, als Felicity am frühen Nachmittag auf ihrer Suche nach irgendetwas, das sie ablenken konnte, zum wiederholten Mal durch die Küche schlich. Sie war eben dabei, ihre Kupfertöpfe mit einer Essigpaste blitzblank zu putzen, eine Tätigkeit, die sie eigentümlich befriedigte. Olivia schlief oben in ihrem Zimmer.
Felicity seufzte. Sie wusste, dass ihre Mutter nicht gestört werden wollte, aber sie war einfach rastlos. Sie würde in die Bibliothek gehen und Jasper Cutgrass frohe Weihnachten wünschen. Bestimmt freute er sich darüber.
Sie machte sich auf den Weg, die frische Luft tat ihr gut. Sie und ihre Freunde hatten mit dem Zollbeamten vereinbart, dass sie erst nach den Feiertagen mit ihrer Arbeit in der Bibliothek fortfahren würden. Er hatte versichert, dass es ihm überhaupt nichts ausmache, Weihnachten alleine zu verbringen, aber Felicity fand den Gedanken doch ein bisschen traurig.
Im Hauptsaal der Bücherei war niemand zu sehen. Auf einem Tisch standen eine Tasse mit kaltem Kakao und ein Teller mit ein paar Keksbröseln neben einem Stapel Bücher. Sicher hatte Henry seine Sachen mal wieder nicht weggeräumt, wer sonst? Sie klemmte die Bücher unter den Arm und nahm das Geschirr vom Tisch, aber dabei kippte die Tasse um und der Kakao lief ihr über die Füße.
Felicity seufzte. Ihre Wollstrümpfe waren ganz durchtränkt von der kalten, klebrigen Brühe. Es fühlte sich scheußlich an. Sie verfluchte Henry und ihre
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