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Felidae 05 - Salve Roma-neu-ok-21.02.12

Felidae 05 - Salve Roma-neu-ok-21.02.12

Titel: Felidae 05 - Salve Roma-neu-ok-21.02.12 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirinçci
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Erstaunen und Ratlosigkeit wechselten sich darin im
Sekundentakt miteinander ab. Mit ihm zusammen saßen circa zehn Vertreter meiner
Art im Kreis und schauten ebenfalls mit gesenkten Häuptern in die Mitte.
    »Pius ist der Hund eines französischen Kardinals im
Ruhestand, der im Haus der Heiligen Martha seinen Lebensabend genießt«, sagte
der Gescheckte, während wir auf die Gruppe zusteuerten. »Er ist völlig harmlos
und von einer, nun, hündischen Nettigkeit, doch leider besitzt er den Verstand
einer Larve. Letztens hielt er den Heiligen Vater in seiner weißen Robe für einen
Schneemann und hat vor Sorge, daß er in der Sonne schmelzen könne, den ganzen
Tag hindurch gejault. Doch wie sich herumgesprochen hat, scheint er bei seiner
routinemäßigen Knochenbuddelei vor einer halben Stunde einen sehr brisanten
Fund gemacht zu haben.«
    Das war mehr als untertrieben, denn als wir am
Fundort eintrafen und ich mit dem Ergebnis von Pius’ Buddelei konfrontiert
wurde, sackten mir vor Schreck die Beine weg. Ich ließ mich auf dem Rasen
nieder und betrachtete wie alle anderen entsetzt und stumm die Grube. Der
Bernhardiner und die vor mir eingetroffenen Kollegen hatten sie mit ihren
Pfoten inzwischen vergrößert, so daß ich dem Grauen frontal ins Auge blicken
konnte. Zirka zwei Handbreit unter dem Erdniveau lagen übereinandergestapelt
mehr als ein Dutzend tote Artgenossen. Die Anzahl war kaum bestimmbar, da der
Mörder offenkundig nicht der fleißigste Totengräber gewesen war und die Grube
gerade nur so tief ausgehoben hatte, daß alle Leichen zusammengequetscht
hineinpaßten.
    Es handelte sich um ein klassisches Massengrab,
wenn auch ein sehr beengtes.
    Die noch teilweise mit Erde beschmierten Kadaver
waren verwest und sonderten einen übelerregenden süßlichen Geruch ab. Bei
einigen Exemplaren hatten die Würmer, Bakterien und Leichengase schon
erstaunliche Fortschritte erzielt. Großflächig aufgeplatzte Rücken- und
Bauchabschnitte gewährten zwischen gelblich schimmernden Rippen schier obszöne
Einblicke in die inneren Organe, die teils kaum mehr existent, teils noch gut
»bewohnt« waren! Ausgelaufene Augäpfel, die wie transparentes Wachs aus den
Höhlen tropften, Kopfhaut samt Fell, die sich partiell abgelöst hatte und
Schädelknochen hervorscheinen ließ, aufgerissene Mäuler mit schon schwarz
gewordenem Gebiß … In Anbetracht dieses Grauens drehte sich alles um mich herum
in einem Affentempo, geradeso, als säße ich im Innern eines Kreisels. Den
anderen schien es ebenso zu gehen.
    Doch obwohl mir so elend zumute war und obwohl ich
kurz davor stand, meinen Mageninhalt jeden Moment wieder das Licht der Welt
erblicken zu lassen, machte sich das Organ meiner Neugier über das Tableau des
Horrors einige schlaue Gedanken: 1. Der Mörder der Siamesin im Largo Argentina
und der Mörder dieser Brüder und Schwestern hier war ein und dieselbe Person.
Denn obwohl die Verwesung der Leichen schon sehr weit fortgeschritten war,
konnte sie das groteske Markenzeichen des Schlächters nicht verbergen. Bei
allen Leichen war der Gehörapparat an einer Seite bis zur Wurzel entfernt
worden. Die Würmer hatten sich bei der Entdeckung des Fundes bestimmt herzlich
bedankt, weil sie dadurch auf schnellstem Wege ins schmackhafte Hirn gelangen
konnten.
    Im Gegensatz zu der toten Siamesin gab es bei den
neu aufgefundenen Opfern allerdings einen winzigen und doch so entscheidenden
Unterschied, der nur jemandem auffallen konnte, der sich wie ich mit der Sache
gründlich beschäftigt hatte: 2. Was das »Entkernen« betraf, hatte sich der
Mörder wohl noch in der Anfangsphase seiner Untaten befunden. Nennen wir sie
»die grobe Periode«.
    Diese Annahme bezeugte die weit plumpere Art der
chirurgischen Eingriffe: halbe Schädel standen offen oder waren sogar völlig
zertrümmert. Konnte es also sein, daß Signore X im Vatikanstaat zu Beginn
seines Projekts noch wild und vielleicht erfolglos herumexperimentiert hatte?
    Und weiter gedacht: Konnte es sein, daß er erst
einmal chirurgische Fertigkeiten erwerben wollte, bevor er das Entfernen von
Gehörapparaten zu seiner Profession machte? 3. Obwohl der Vatikan ein geheimes
Reich für sich bildete, hatte er es nicht gewagt, das große Schlachten und
seine Experimente den übrigen Geistlichen anzuvertrauen. Tiere hatten in der
Geschichte des Christentums stets eine ambivalente Rolle gespielt.5
    Mittlerweile jedoch war auch in dieser Beziehung
längst große Versöhnung angesagt. Deshalb

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