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Felidae 05 - Salve Roma-neu-ok-21.02.12

Felidae 05 - Salve Roma-neu-ok-21.02.12

Titel: Felidae 05 - Salve Roma-neu-ok-21.02.12 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirinçci
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widerspricht Seiner Exzellenz?« wollte der
Gescheckte scheinheilig wissen.
    »Nicht direkt«, erwiderte ich. »Es ist nur so, daß
das Böse viele Gesichter besitzt. Es hat die Macht, sich zu verwandeln, will
sagen, es kann selbst in die bravste Seele hineinfahren und sie für seine
verderblichen Zwecke instrumentalisieren.«
    »Weise gesprochen, mein Sohn!« rief Miracolo aus.
Ich wollte zu der schon verworrenen Teufel-Problematik nicht auch noch die
Frage aufwerfen, wer hier eigentlich wessen Sohn wirklich sein konnte.
    »Wie ist dein Name?«
    »Francis.«
    »O Franziskus – du trägst den Namen eines Heiligen!
    Was führt dich zu uns, mein Sohn, und wie ist deine
Meinung zu dieser Tragödie?«
    Ich konnte inzwischen schon nicht mehr aufzählen,
wie oft ich meine Geschichte innerhalb der letzten vierundzwanzig Stunden
erzählt hatte. Doch sie ausgerechnet dem Handschmeichler des Papstes zu
verweigern, wäre ziemlich ungehörig gewesen. Deshalb fing ich bei A wie Anruf
aus Rom für Gustav an und hörte bei Z wie Zusammentreffen vor dem Petersplatz
auf.
    Freilich klammerte ich dabei die heiße Episode mit
Sancta aus, weil ich mir unsicher war, wie solcherart Sinnenfreude in dieser
Runde ankommen würde.
    Wegen des Gestanks hatten wir uns unterdessen von
dem Massengrab zurückgezogen und spazierten mit der Gruppe zu einer kleinen
Kapelle in der Nähe. Vor deren Türe, so sagte man mir, würde das Futter für die
spitzohrigen Angehörigen des Vatikans im edelsten chinesischen Porzellan
pünktlich auf die Minute serviert.
    Miracolo lud uns alle zum Leichenschmaus ein.
Allein Pius blieb bei den Toten zurück, ein Riese mit einem riesigen Vakuum im
Kopf, unfähig, die Welt zu verstehen, doch im sprichwörtlichen Sinne in Gottes
Hand.
    Die Kapelle, der wir uns näherten, war verglichen
zu all dem Bombast um uns herum in ihrer Schlichtheit geradezu sensationell.
Sie hätte eher in ein in karger Landschaft liegendes sizilianisches Dorf mit
einer Handvoll Einwohnern gepaßt als zu einem Areal, das die größten
Künstlergenies der Menschheit bisweilen unter Androhung der Exkommunikation
veredeln mußten.
    Eigentlich sah sie aus wie eine kümmerliche
Bauernhütte mit einem schlichten Holzkreuz auf dem Dach. Ich nahm an, daß es
sich dabei um eines der ersten christlichen Gotteshäuser handelte, das entweder
über Jahrtausende hinweg auf wundersame Weise erhalten geblieben oder mühsam
wieder rekonstruiert worden war.
    »Du bist also zum Vatikan gekommen, nur weil ich
Miracolo heiße und eben dieser Begriff in der Versammlung der Theosophen fiel,
mein Sohn?« fragte der Perser. Ich hatte die leise Ahnung, daß ihn weniger die
Tradition des Leichschmauses, als sein Magenknurren zu der Kapelle trieb. Die
uns begleitenden Brüder und Schwestern, allen voran der Gescheckte hingen an
seinen Lippen, als würde er jeden Augenblick das Geheimnis um das Leichentuch
Christi in Turin lüften.
    »Ja und nein, Exzellenz«, antwortete ich.
»Einerseits habe ich mich an diesem Wort derart festgebissen, daß es mich
schier elektrisierte, als ich von Sancta erfuhr, jemand aus unseren Reihen
hieße sogar so. Anderseits sagte mir mein untrüglicher Instinkt schon zu
Beginn, daß wenn überhaupt ein Wunder existiert, es sich hier im Vatikanstaat
verbergen würde. Wie sich herausgestellt hat, lag ich mit der Vermutung nur zum
Teil richtig. Ich fand kein verborgenes Wunder, sondern nur Leichen in einem
verborgenen Grab.«
    »Du solltest dich durch diese schreckliche
Entdeckung nicht beirren lassen, Franziskus. Gottes Wege sind unergründlich,
doch schlußendlich führen sie stets zur Wahrheit.«
    »Ich hoffe es, Miracolo«, sagte ich und bemerkte,
daß allmählich die Dämmerung hereinbrach. In weiter Ferne bildete sich die
altrosafarbene Silhouette des Petersdoms gegen den goldgelben Himmel ab.
Vogelschwärme umflatterten die Kuppel wie Heerscharen von Engeln. Am Horizont
zogen langsam zu gigantischen Stockwerken aufgetürmte blaugraue Wolkenfelder
auf, und ein frischer Wind begann zu wehen. Es war zu befürchten, daß wir es
mit einer ungemütlichen Nacht und einem stürmischen Mairegen zu tun bekommen
würden. Noch aber sah der Park, den wir durchschritten, aus, als würde jeder
Halm darin in Flammen stehen.
    »Die Frage ist eigentlich überflüssig, Exzellenz,
aber ist Euch im Verlauf des letzten Jahres an dieser Stätte etwas aufgefallen,
was auf die Greueltaten hätte hinweisen können?«
    »Natürlich nicht!« entrüstete sich Miracolo.

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