Felidae 05 - Salve Roma-neu-ok-21.02.12
Piazza Venezia
hinauf, dorthin wo sich der Kunst-Berg Monumento a Vittorio Emanuele II aus
hellem Travertin und mit gigantischen Freitreppen erhebt. Der Italiener nennt
den Klotz wegen seiner ungewöhnlichen Gestalt auch abschätzig »die
Schreibmaschine«. Hier brauchte ich nur neben einer Ampelanlage einige Minuten
auf ein »Taxi« mit dem Kennzeichen des Vatikans zu warten, und schon war ich
zum Staate des Unfehlbaren unterwegs. Der Geistliche auf der Vespa, der wegen
der momentanen Rotschaltung neben dem Trottoir anhielt, besaß Gustavs
Zierlichkeit, so daß die Federung des Motorrollers ein bißchen in die Knie
ging. Dennoch brauchte ich auf Bequemlichkeit in zweierlei Hinsicht nicht zu
verzichten.
Zum einen war hinten auf dem Gepäckträger, wie
Sancta es vorhergesagt hatte, tatsächlich ein Drahtkorb montiert.
Mit einem geräuschlosen Satz war ich oben und
machte es mir zwischen Kartoffeln, Lauchstangen und Auberginen bequem. Zum
anderen hatte die moderne Vespa mit dem laut knatternden und wegen seiner
sparsamen Federung bei jeder Straßenunebenheit zum Bandscheibenvorfall
führenden Motorino aus alten Sophia-Loren-Filmen nichts mehr gemein. Unser
Papa-Mobil für mittlere Lohngruppen schwebte nur so über den Asphalt.
Und so flogen mein Chauffeur und ich in Gottes
Diensten über den Corso Vittorio Emanuele II – nach diesem Emanuele II war ja
halb Rom benannt –, erreichten den guten alten Tiber, der im unergründlichstem
Moosgrün vor sich hintrieb, überquerten, wen wundert’s, die Vittorio-Emanuele-II-Brücke,
bogen am Castel Sant Angelo nach links, und schon hielten wir Einzug in die Via
della Conciliazione. Es gibt bestimmt wenige Menschen auf der Welt, die diesen
Straßennamen je gehört haben, wohl aber viele, die dennoch ein Bild von der
Straße im Kopf haben. Denn sie ermöglicht die freie und wohl auch
milliardenfach abgelichtete Sicht auf den Petersplatz und auf die Fassade und
die Kuppel des Petersdoms. Selbst der protestantische Dichter Schiller
schwärmte einst von diesem Anwesen des Papstes: »Ein wahrhaft Reich der Himmel
ist sein Haus. Denn nicht von dieser Welt sind diese Formen.« Da konnte man mal
wieder sehen, wie wichtig ein angesagter Architekt ist.
Wie ich auf das Entrée der Gotteshauptstadt aller
Katholiken zufuhr, fiel mir ein, daß dieser Zugang ausgerechnet der
Unterschrift des bereits erwähnten netten Herrn, nämlich des faschistischen
Diktators Mussolini zu verdanken war, der hoffte, im Bund mit der katholischen
Kirche einen breiteren Rückhalt in der Bevölkerung zu bekommen. Er bescherte
dem Vatikan am 11. Februar 1929 mit allen völkerrechtlichen Konsequenzen die
Selbständigkeit. Zum Glück war heute kein Mittwoch, an dem der Heilige Vater
die Pilger aus aller Welt auf dem Petersplatz zu segnen pflegte. Sonst wäre
überhaupt kein Durchkommen gewesen. Auf dem breiten Boulevard herrschte
lauwarme Betriebsamkeit, während uns der Petersdom mit seiner Titanenkuppel
entgegenragte wie ein von Michelangelo behauenes Bergmassiv. Gruppen von
Priestern, Nonnen und Pilgern strebten dem Dom zu oder befanden sich nach
stundenlanger Besichtigung mit entrückten Gesichtern schon wieder auf dem
Rückweg.
Überall gab es Papst-Devotionalien oder christliche
Buchläden; eine derartige Kruzifix- und Rosenkranzdichte war wohl einmalig auf
der Welt.
Es bereitete mir einen gehörigen Schwindel,
innerhalb von Minuten von einem tausendjährigen Weltreich zum anderen
geschleudert zu werden. Daß die Schaltzentrale des letzteren Reiches, welches
im Gegensatz zu dem römischen seinen Einfluß keineswegs eingebüßt hat, sich so
weit ab von der Innenstadt befindet, hat folgenden Grund: Um das Jahr 280 hatte
die wohlhabende Familie Laterani einige Gebäude und ihren Garten ausgerechnet
jener Sekte geschenkt, die daran glaubte, ein Mann aus Nazareth sei Gottes Sohn
gewesen. Und hier hatte nach der Überlieferung der Apostel Petrus im Jahr 64
oder 67
unter Nero das Martyrium erlitten. Ich trug zwar,
wo ich ging und stand, Gott in meinem Herzen und glaubte mich von ihm auch
wahrgenommen, wenn ich nicht regelmäßig zur Kirche ging, doch nur derjenige,
der dieser größten Kirche der Welt einmal leibhaftig gegenüber getreten ist,
kann die Kraft des Glaubens ermessen. Am Ende der Straße beschrieb mein Fahrer
mit der Vespa eine Kurve nach links und verlangsamte dabei das Tempo auf
Schrittgeschwindigkeit. Ich packte die Gelegenheit beim Schopfe, machte einen
Satz vom Drahtkorb herunter und lief
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