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Felidae 05 - Salve Roma-neu-ok-21.02.12

Felidae 05 - Salve Roma-neu-ok-21.02.12

Titel: Felidae 05 - Salve Roma-neu-ok-21.02.12 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirinçci
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meine Aufnahmekapazität restlos aufgebraucht hatte. Da er ebenso wie
ich den heranrückenden Regen spürte, schlug er vor, daß ich in der Kapelle
übernachten solle. Die Wärme der brennenden Kerzen würde eine kuschelige Decke
für mich abgeben, meinte er, und nahm mir noch das Versprechen ab, ihn am
nächsten Morgen im Domizil des Papstes zu besuchen. Dann verabschiedete er sich
und verschwand durch den Türspalt.
    Schon kurz darauf begann sich das Dämmerlicht vor
meinen müden Augen in einen goldfunkelnden Nebel zu verwandeln, der nach und
nach jeden Winkel der Kapelle ausfüllte. Das Altarkreuz auf dem
Abendmahlstisch, das Weihwasser mit dem Blut darin, die alten Kirchenbänke,
alles um mich herum versank schließlich in einem Meer aus gleißender
Helligkeit. Am Ende hüllte der Goldnebel auch mich ein, und ich schwebte durch
den strahlenden Dunst geradewegs ins Land der Träume.
    Ich war wieder in den Katakomben unterwegs. Doch
obwohl diesmal keine Fackeln brannten, vermißte ich kein Licht. Alles lag klar
und deutlich vor mir, selbst kleinste Details blieben von Schatten verschont.
So langsam wurde mir klar, daß es sich bei dem Gang, durch den mich meine
Pfoten wie von einem hypnotischen Befehl angetrieben trugen, eigentlich nicht
um eine Katakombe handeln konnte. Es war eine Höhle, in der es mal aufwärts,
mal abwärts, mal durch geheimnisvolle Verengungen und dann wieder über Abschnitte
ging, die sich seltsam schmalzig anfühlten. Ich spürte eine langsam wachsende
Anspannung in mir, die mich, wie ich glaubte, auf etwas ganz Besonderes
vorbereiten sollte. In dieses klamme Gefühl mischte sich auch Furcht, doch
nichts hielt mich davon ab, wie ein fanatischer Suchhund immer weiterzustreben,
ohne die blasseste Ahnung zu haben, was oder wem ich auf der Spur war.
    Schließlich endete mein Weg an einer sandgelben
Membran, welche den Durchgang lückenlos umspannte.
    Es sah aus, als hätte man hier eine Wand aus einem
dieser modernen Superkunststoffe errichtet. Ohne nachzudenken, fuhr ich aus der
rechten Pfote die schärfste Kralle aus und schnitt einen sauberen Durchlaß in
das elastische Material.
    Dann schlüpfte ich hindurch und befand mich in einem
sehr bizarren schneeweißen Raum. Das Inventar darin wirkte wie die Installation
eines hypermodernen Künstlers. Ein hünenhaftes Gebilde in Form einer Schnecke,
aus dessen Panzer eine Art Krone mit halbkreisförmigen Bögen herauswuchs,
schwebte oben von der Decke. Eine lange Verbindungsleitung ging von dem
rätselhaften Ding ab und verlor sich in der Weite des Raumes. Im oberen Bereich
nahm die Membranwand immer mehr die Gestalt eines Schnabels an, wobei das
Material sich fließend in Knorpel und dann von Knorpel in Knochen
transformierte. Schließlich dockte der Schnabel mittels zarter Knöchelchen an
der Schnecke an. Einige der Objekte schimmerten in der Farbe von sehr zartem
Fleisch, und unter ihrer Oberfläche waren Tausende von Äderchen zu sehen, in
denen Blut pulsierte.
    Da passierte etwas Wunderbares. Als würden
jahrhundertelang verschlossene Fensterläden aufgestoßen und endlich die Sicht
auf den hellen Tag erlauben, erkannte ich mit einem Mal, daß ich mich weder in
einer Höhle noch in einer Kunstgalerie befand. Ich stand im Innern eines Ohrs,
und zwar jenes Fabrikats, das meiner Art zur Verfügung stand. Ich war in meinem
Traum zur Winzigkeit eines Flohs geschrumpft und hatte eine Wanderung durch ein
Felidae-Ohr unternommen. Der Weg, den ich gekommen war, war der Gehörgang und
die Membran das Trommelfell. Die Schnecke, in die die Töne über Ohrknöchelchen
und durch das Ohrfenster getrichtert werden, heißt wirklich so. Und die Krone
darauf war das Gleichgewichts- oder Vestibulärorgan …
    Unwillkürlich stockte ich. Warum war mir das nicht
früher aufgefallen? Mir, Francis, der ich mich in der Anatomie unserer Art
derart gut auskannte, daß ich sogar darüber hätte habilitieren können. Das
Innenohr war nicht allein für das Hören zuständig. Sowohl beim Menschen als auch
beim Tier verbarg es im Kerne den Apparat für den kostbarsten aller Sinne,
nämlich den Gleichgewichtssinn.
    Nur daß der Gleichgewichtssinn der Felidae zu dem
des Menschen sich etwa so verhielt wie ein Formel-1-Wagen zu einem Trabi.
Anders ausgedrückt: Wäre ein Mensch mit einem Vestibulärorgan wie dem unsrigen
ausgestattet, könnte er weit waghalsigere Manöver vollführen als ein
Trapezartist …
    Ich wollte dieser überraschenden Erkenntnis noch
weiter nachgehen,

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