Felidae 05 - Salve Roma-neu-ok-21.02.12
die Innenansicht des Petersdoms versagt geblieben!
Diesmal mußten wir auf das Licht brennender Fackeln
verzichten. Doch wofür hatte uns der liebe Gott mit einem Augenpaar gesegnet,
das die Nacht, wenngleich nicht zum Tag, so doch immerhin zum ausreichenden
Zwielicht machte? Im Grunde war jeder Teil von uns ein hochwertiges
High-Tech-Produkt! Während wir uns flotten Schrittes durch die Gänge bewegten,
füllte ich Antonios Wissenslücken hinsichtlich meiner zurückliegenden
Abenteuer. Er war zwar schon vom Hörensagen bestens informiert, doch konnte es
nicht schaden, ihm auch Dinge mitzuteilen, die nur ich wußte.
Diesmal lauerten keine Gefahren im Reich der
Finsternis.
Keine Kapuzenmänner mit Säbeln sprangen aus den
Totenkammern, und keine bewaffneten Killer erschienen hinter halbverfallenen
Mauervorsprüngen. Nicht einmal von Gustav war irgend etwas zu sehen. Und obwohl
wir eine gute Weile unterwegs waren und hin und wieder gruselige Gerippe durch
ihre weiten Augenhöhlen argwöhnisch zu starren schienen, verging die Zeit wie
im Fluge.
Schließlich gelangten wir zu der im kyklopischen
Gefüge gemauerten Anlage unter dem Palazzo, deren rundbogenförmige Einlässe das
Eintauchen in die Katakomben ermöglichte. Von dort kletterten wir am Gitter des
Fahrstuhlschachts zum Keller des Palazzos hoch. Antonio führte mich durch
eingestaubte Räume, in denen sich haufenweise aussortierte Möbelstücke und
Accessoires befanden. Ein Antiquitätenhändler mit Kennerblick hätte dafür
mindestens einen Arm hergegeben. Dann bogen wir um eine Ecke und erblickten in
der Düsternis das, wonach wir gesucht hatten.
Es hört sich ein bißchen abgebrüht an, aber diesmal
war der Schock weniger erschütternd. Und das hatte einen bestimmten Grund. Auf
den ersten Blick schien die Blue-Point-Birma eine schlafende Schöne zu sein,
obwohl die aufgerissenen saphirblauen Augen diesem Bild Hohn sprachen. Ihr
cremefarbener Körper mit dem seidigen langen Fell und den dunklen Abzeichen lag
einfach auf dem Boden. Die weißen »Schuhe« an ihren Pfoten leuchteten selbst in
der Dunkelheit. Sie hatte alle viere von sich gestreckt und das Maul leicht
geöffnet. Die Wunde am Kopf war deutlich zu sehen, aber es war relativ wenig
Blut geflossen.
Ich begab mich zu der Leiche und nahm sie genau in
Augenschein. Dabei beschnüffelte ich sie intensiv und rückte ihren Kopf zur
besseren Einsicht etwas zur Seite.
Obwohl ich ein medizinischer Laie war, sagte mir
mein Gefühl, daß der Zeitpunkt des Todeseintritts nicht lange zurückliegen
konnte. Samanthas Körper war zwar nicht mehr warm, aber auch nicht besonders
kalt. Außerdem hatte die Leichenstarre noch nicht richtig eingesetzt. Ich
schätzte, daß sie erst vor fünf oder sechs Stunden ihrem Killer begegnet war.
Antonio beobachtete mich aus der Ferne mit einer
gewissen Erwartungshaltung. Als die ganze Angelegenheit sich immer mehr hinzog,
räusperte er sich gereizt und kam schließlich zu mir.
»Was ist denn? Stimmt etwas nicht?«
»Allerdings!« entgegnete ich. »Ich fürchte, an
dieser Sache ist unser guter alter Schlachter völlig unschuldig.«
»Wie bitte?«
»Du hast richtig gehört, Antonio. Für Samanthas Tod
ist ein anderer verantwortlich.«
»Was redest du da für einen Unsinn! Die Wunde trägt
doch eindeutig seine Handschrift.«
»Auf den ersten Blick. Aber wie du siehst, ist
lediglich die Ohrmuschel entfernt worden. Der im Schädelknochen eingebettete
Gehörgang, das Trommelfell, die Ohrknöchelchen, die sogenannte Schnecke und die
Nervenbahnen zum Gehirn sind dabei völlig intakt geblieben. Die Schädelpartie
an dieser Stelle ist im Unterschied zu den anderen Fällen ebenfalls unversehrt.
Und es gibt weder kleine Knochensplitter noch
Blutspuren im Umkreis zu sehen.«
»Und was hat das zu bedeuten, großer Meister?«
Er machte nun weniger einen konfusen, denn einen
unglücklichen Eindruck.
Ich drehte Samanthas Kopf zur Seite und zeigte ihm
die zwei winzigen, nur bei genauerem Hinsehen ins Auge springenden Löcher am
Genick.
»Sie hat wohl vor der Abtrennung des Ohrs das
Zeitliche gesegnet, und zwar durch einen klassischen Genickbiß, den unsere Art
so meisterhaft beherrscht.«
Antonio taumelte von der Leiche zurück, als hätte
man soeben sein Weltbild zerschmettert. Sein Keil-Gesicht zuckte unwillkürlich,
seine Schnurrhaare zitterten, und er öffnete und schloß den Mund, ohne daß ein
Laut heraustrat. Er hockte sich weit entfernt von mir auf die Hinterbeine und
schien
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