Felidae 06 - Schandtat-neu-ok-22.02.12
einen ehemaligen
Strafgefangenen, bloß nicht genauer unter die Lupe nehmen zu müssen. Jetzt
gestand Paps sich seine Feigheit ein.
Unser Held hatte aber das Maul vorhin nicht deshalb so
voll genommen, um bei erstbester Herausforderung wieder still und leise ins
kuschelige Nest zurückzuschleichen. Also faßte er sich ein Herz, stieg den
Erdhaufen hinab und tappte mit bang klopfendem Herzen in Richtung des
Geisterhauses, um es sich aus der Nähe anzuschauen. Der immer wütender werdende
Wind wehte seine Fellhaare in alle Himmelsrichtungen, und das Gebrüll des
Donners ließ ihn zusammenzucken, während er sich durch den Urwald kämpfte. Das
Licht der Blitzverästelungen ließ die Villa für Bruchteile von Sekunden hell
erstrahlen und verlieh ihr etwas von einem makellos weißen Mördergebiß. Je
näher Francis seinem Ziel kam, desto deutlicher erkannte er, wie
heruntergekommen das Gebäude war. Aus der Mitte des zweistöckigen Hauses mit
dem Mansardendach wuchs ein wuchtiger Erker hervor, der unten eine Art
Wintergarten und darüber eine Terrasse beherbergte. Beide Teile zeichneten sich
durch Merkmale des Niedergangs aus. Farbe und Putz waren abgeblättert und
entblößten den hölzernen Rohbau. Die Fenster, Stützsäulen und das
Terrassengeländer hatten im Lauf der Jahrzehnte irreparablen Schaden genommen.
Sie waren teilweise auseinandergebrochen, zerschlagen oder gar nicht mehr
vorhanden. Das Dach, dessen zersprungene und verrutschte Schindeln des Namens
nicht wert waren, wies großflächige Löcher auf, durch die der Regen Zugang ins
Innere fand. Der Rest sah nicht viel besser aus. Vermoderte Fassaden, schief
hängende Regenrohre und zerschlagene Fensterscheiben. Das Haus war eine einzige
Ruine.
Paps befand sich nur ein paar Meter von der Hausleiche
entfernt, als der meteorologische Rüpel ernst und ihm einen Strich durch die
Exkursion machte. Mit pompösem Getöse und geradezu explosionsartig entlud sich
der aufgeladene Himmel über dem Altbauviertel, wobei mehrere Blitze die
entsprechende Lightshow lieferten. Von einem Moment zum anderen gingen über dem
verlassenen Ort unglaubliche Wassermengen nieder, und der angehende Detektiv
fühlte sich jäh wie von einer Superwelle erfaßt. Im naß verklebten Fell sah er
plötzlich so aus, als läge eine Crash-Diät hinter ihm. In diesem elenden Aufzug
schien es wohl kaum ratsam, weiterhin den Spion zu spielen. Morde hin, Morde her,
wenn man bis auf die Knochen durchgeweicht war, hatte man wahrlich andere
Probleme.
Paps drehte sich auf den Pfotenballen um und lief durch
die dichten Regenschleier zurück in Richtung der Senke. Das Prasseln der
Regentropfen, die sich auf seinem Rücken wie Nadelstiche anfühlten, schwoll zu
einem Gebrüll an. Außer Atem und naß wie ein Wischmop schaffte er es endlich
zum Ausgangspunkt seiner sinnlosen Erkundung und schlüpfte wieder in die Röhre.
Für einen Moment fragte er sich, ob er sich am Ende nicht eine Lungenentzündung
zugezogen hatte und bald sterben müsse. Aber nun war er, Gott sei's gedankt,
wieder im Trockenen. Er schüttelte sich heftig das Wasser aus dem Fell und
trottete dann die dunkle Strecke in Richtung der warmen Stube. Was würde er nun
bloß Eloi erzählen? Denn auf seinen ersten Trip in die Freiheit traf wohl kein
anderes Wort als Blamage zu. Gut gebrüllt, Löwe, würde Eloi sagen und
noch einen abgedroschenen Spruch dranhängen: Außer Spesen nix gewesen.
Als die Röhre ihrem Ende zuging und Paps allmählich das
schwache Kerzenlicht aus dem Brunnenbecken wahrnahm, spürte er Feuchtigkeit
unter seinen Pfotenballen. Gewiß, sein Fell war immer noch nicht richtig
trocken, so daß notwendigerweise auch die Unterseite seiner Pfoten benetzt sein
mußte. Dennoch beschlich ihn das Gefühl, daß diese Feuchtigkeit zu zähflüssig,
ja geradezu glitschig war im Vergleich zu Regenwasser. Sie roch auch verdächtig
anders. Als immer mehr Licht in die Röhre fiel, erkannte er, daß er in einem
kleinen dunklen Rinnsal lief, das sich im gewölbten Boden angesammelt hatte. Er
wollte die Sache untersuchen, weil sie ihm auf dem Hinweg nicht aufgefallen
war. Doch da sprang ihm plötzlich die Quelle des ominösen Rinnsals ins Auge.
Wie hingeschmissen lag der rote Dude da und stierte ihn
aus offenen, doch längst toten Kupferaugen an. In seiner Genickgegend klaffte
ein riesiges, fransiges Loch, das entweder von einem wütenden Gebiß oder einem
spitzen Gegenstand verursacht worden war. Das daraus geflossene Blut hatte sich
in
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