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Felidae 06 - Schandtat-neu-ok-22.02.12

Felidae 06 - Schandtat-neu-ok-22.02.12

Titel: Felidae 06 - Schandtat-neu-ok-22.02.12 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirinçci
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und selbstredend davon ausgeht, daß Stimulantia den Geist
eher anregen als vergiften. Und die wäßrigen Augen waren jetzt nicht wegen
einer chronisch defekten Tränendrüsenfunktion so feucht.
    »Wann willst du denn die Welt erobern, Dude?« fragte Eloi,
und seine Lippen zitterten leicht. Paps' Mentor spürte wohl, daß es sich um den
Moment des Abschieds handelte. Vielleicht nicht gleich, aber doch auf Raten.
Und irgendwann für immer.
    »Nun ja, eigentlich wollte ich jetzt gleich draußen eine
kleine Runde drehen, Dude. Wenn ich auf den Mörder stoße, schicke ich dir eine
Postkarte.«
    Mit diesen Worten kehrte Paps Eloi den Rücken zu und spazierte
in Richtung des Tunnels. Weniger deshalb, weil er seinen Freigang gar nicht
mehr abwarten konnte, sondern weil er nicht mit ansehen wollte, wie dem guten
Gefährten die Tränen über das Gesicht liefen. Ein flüchtiger Seitenblick
bestätigte ihm, daß mittlerweile alle anderen Dudes im tiefen Schlaf versunken
waren, einschließlich des alten Roten, der wie ein Mensch auf dem Rücken lag
und alle viere von sich himmelwärts gestreckt hatte. Ummantelt von dem
Gewölbe-Halbrund über ihren Köpfen und umhüllt vom Kerzendämmer sahen sie wie
fossile Überbleibsel eines Märchenreiches aus. Paps bekam dabei einen Kloß im
Hals, weil er spürte, daß dieser leichtpfötige Spaziergang in die Außenwelt in
der Tat einem Schlußstrich nahekam. Er wußte instinktiv, mit diesem Schritt
würde der Abschied vollzogen sein. Und auch wenn er in ein paar Stunden wieder
in die Höhle zurückkehrte, würde es nicht mehr das gleiche sein.
    Die Eindrücke in dem Tunnel unterschieden sich von denen
während seiner vorangegangenen Erkundungen. Zwar war Francis auch jetzt von
vollkommener Finsternis umgeben, seine Trippelschritte hallten fast unendlich
fort, und auch jetzt beschlich ihn eine durch Klaustrophobie verursachte und
sekündlich stärker werdende Unruhe. Da er diesmal vorher nicht von der Minze
gekostet hatte, entfaltete der dunkle Tunnel eine doppelt unheimliche Wirkung,
und die Beklemmung war ziemlich real. Schon bald standen ihm die Haare zu
Berge.
    Als er endlich nach draußen gelangt war und die Senke
hochstieg, bemerkte er als erstes die radikale Veränderung des Luftdrucks. Der
Nachthimmel über dem verwucherten Terrain war von einem aufgeladenen
Wolkenbrodem bedeckt, in dessen sich ständig umformenden Schleiern es grell
zuckte und grollte. Ein Sommergewitter mit reichlich Blitz und Donner rückte
heran. Ein starker Wind fauchte wie ein fiebriger Geist über das wild
gewachsene Gras, schüttelte die Bäume durch und blies loses Gestrüpp hoch durch
die Luft. So wie es aussah, hatte sich Paps den denkbar ungünstigsten Zeitpunkt
für seine Lebenswende ausgesucht. Er konnte schon den Regen riechen, der in
Kürze einsetzen würde.
    Was um alles in der Welt hatte ihn dazu veranlaßt, mitten
in der Nacht solch eine gewichtige Entscheidung in die Tat umzusetzen?
Schließlich konnte man auch morgen eine neue Seite im Leben aufschlagen, wenn
wieder die Sonne schien. Doch da ein junger Mann eher bereit ist, in den Krieg
zu ziehen, als sich seine eigene Dummheit einzugestehen, wollte Paps wenigstens
so tun, als würde er die neue Freiheit genießen. Ein zielloser, kurzer
Spaziergang bestätigte ihm, daß nirgendwo zufällig eine Leiche herumlag, mit
deren Hilfe er sich seine ersten Sporen als Ermittler von Gottes Gnaden hätte
verdienen können. Pech! Unterdessen blies der Wind immer unerbittlicher über
das weite Feld. Das hochgewucherte Gras, die wilden Sträucher und die
vereinzelten krumm und schief gewachsenen Bäume wurden hin- und hergerissen,
als würden sie geohrfeigt.
    Paps bestieg einen kleinen Erdhaufen und schaute sich um.
In der Ferne erspähte er das, was er während seines lustlosen Spaziergangs aus
den Augenwinkeln zwar schon längst registriert, aber geflissentlich übersehen
hatte. Denn das Augenfälligste an diesem düsteren Ort zu erkennen hätte für
einen Heißsporn wie ihn bedeutet, daß er es auch untersuchen mußte. Um es kurz
zu machen, die verkommene Villa dort in der Ferne, ein unheilschwangeres
Schattengebilde mit ewig glühenden Fenstern, jagte Paps immer noch einen
gehörigen Schrecken ein. Dabei hatte er selbst ja Eloi gegenüber immer wieder
argumentiert, daß es ziemlich naiv wäre, wenn man das Böse gleich vor der
eigenen Haustür vermutete. Anscheinend ein Selbstbetrug, um das gespenstische
Domizil und seinen unheimlichen Bewohner, immerhin

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