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Felidae 06 - Schandtat-neu-ok-22.02.12

Felidae 06 - Schandtat-neu-ok-22.02.12

Titel: Felidae 06 - Schandtat-neu-ok-22.02.12 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirinçci
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mein ewiger Respekt, Eloi. Ohne dich wäre ich immer noch der
Holzklotz, der ich einmal war. Allerdings immer noch ein ziemlich cooler. Ich
stimme auch nicht mit dir überein, daß Mickey Mouse kulturell das Gesicht des
zwanzigsten Jahrhunderts geprägt haben soll. Ich meine, ich bitte dich, die
Viecher schmecken gerade mal leidlich. James Joyce' Finnegans Wake dagegen
scheint mir eher geeignet ...«
    »Ist klar, Dude, jeder von uns hat so seine Vorlieben«,
unterbrach ihn Eloi und lächelte weiterhin sein unterirdisches Lächeln. »Aber
kann es sein, daß du jetzt an einem Punkt in deinem Leben angelangt bist, wo du
es unter uns Müllmännern nicht mehr aushältst und dich nach neuen Horizonten
sehnst?«
    Da mußte der junge Francis innehalten und tief in sich
hineinhorchen. Und natürlich vernahm er nichts als das Echo seiner eigenen
Gedanken, die er während der vergangenen Tage ausgebrütet hatte. Nämlich, daß
er in dieser Gruft wohl kaum alt zu werden gedachte. Die Dudes hatten weder die
Ambition noch den Mut, etwas aus sich zu machen und das Reich außerhalb des
Brunnens zu erobern. Wenn man so wollte, waren sie glücklich im besten Sinne.
Denn das Diesseits als Paradies bezeichnet nur derjenige, der sich das Naschen
an verbotenen Früchten selbst untersagt und sich damit zufrieden gibt, einfach
die schöne Aussicht zu genießen. Paps' Pläne waren aber andere, und trotz des
beruhigend wirkenden Minzekonsums war er vom jugendlichen Größenwahn befeuert.
Er wollte die Welt sehen und nicht nur ihr zweidimensionales Abbild in den
Büchern betrachten. Er wollte richtige Abenteuer erleben und nicht mittels der
Literatur das wiederkäuen, was andere erlebt hatten. Und er wollte, was die
Jugend eigentlich immer will: seinen Platz in dieser Welt finden.
    »Du hast recht, Eloi«, sagte Francis und schaute etwas
betreten drein. »Ich fürchte, ich werde euch verlassen müssen. Das gemütliche
Leben im Loch beengt mich. Ich möchte wissen, wie es draußen wirklich zugeht.«
    »Aber das weißt du doch bereits: mörderisch!« Eloi leckte
immer noch launisch an der Minze. »Im Gegensatz zu vielen hier kennst du die
andere Seite. Hast du schon vergessen, was sie mit deiner Familie angestellt
haben?«
    »Nein, aber offenbar hast du vergessen, was Freiheit
bedeutet. Warst du es nicht, der mir gesagt hat, daß sich die Gefahren dieser
Welt nicht in Luft auflösen, indem man sich die Bettdecke über den Kopf stülpt?
Ja, hier drin bin ich in Sicherheit und unter den besten Freunden, die man sich
nur wünschen kann. Und doch habe ich das Gefühl, als läge ich die ganze Zeit
unter der Decke. Ich kann kaum noch atmen und brauche frische Luft. Als erstes
werde ich ernsthaft untersuchen, was es mit diesen Morden auf sich hat.
Jedenfalls habe ich vorerst meine Nase genug in die Bücher gesteckt. Jetzt will
ich endlich mal das Rohmaterial des Bücherlebens unter meinen Pfoten spüren.«
    »Gut gebrüllt, Löwe. Dann mal los! Komm mir aber später
nicht mit einer aufgeschnittenen Kehle an und verlange, daß ich sie dir wieder
zunähen soll.« Dann jedoch, geradeso, als hätte sich jäh ein düsteres Eisentor
vor sein verlottertes, schwarzbeiges Gesicht gesenkt, schien Eloi von tiefster
Trauer erfaßt. »Nicht daß du mich falsch verstehst, Amigo. Du bist mir näher
als ein Sohn, und von denen habe ich viele. Aber keiner von ihnen versprüht so
viel Esprit und Tatendurst wie du. Ich ... wie soll ich mich ausdrücken? Wenn
dir etwas zustoßen sollte, dann ...«
    »Nun fang mir bloß nicht zu heulen an, Eloi«, sagte
Francis. »Ich habe nicht vor, nach Chile auszuwandern. Ich werde in der Nähe
bleiben, schon allein wegen Madam und den Rabauken, die noch in ihr schlummern.
Aber vierundzwanzig Stunden am Stück Kerzen-Weihnacht und Lesen bis der Arzt
kommt, damit ist erst mal Schluß. Schon mal was von Lagerkoller gehört?«
    Eloi legte seinen Minzestengel beiseite, was bei ihm
eigentlich schon einem kalten Entzug gleichkam, erhob sich und sprang von dem
Bücherturm herab. Er näherte sich Paps, bis sich ihre Nasen berührten. Auf den
ersten Blick glich er tatsächlich einem Drogenwrack, mit den wäßrigen blauen
Augen, dem wie ein Weizenfeld nach einem Tornado zerzausten, im Grunde keiner
Farbe zuzuordnenden Fell, seinem verbraucht wirkenden Schatten-Gesicht, in dem
jeder Muskel wie von kleinen Gewichten behangen abwärts deutete. Doch war es
auch die Erscheinung eines altmodischen Gelehrten, der wenig Wert auf
Äußerlichkeiten legt

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