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Felidae 06 - Schandtat-neu-ok-22.02.12

Felidae 06 - Schandtat-neu-ok-22.02.12

Titel: Felidae 06 - Schandtat-neu-ok-22.02.12 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirinçci
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in der Zwischenzeit wieder
aufgebaut, so daß von irgendwelchen Lücken keine Rede mehr war. Und trotz des
Schneemantels konnte man erkennen, daß das einstige dschungelhafte
Erscheinungsbild einem akkurat unterteilten Design aus Rasen, Beeten, Hecken
und Sträuchern gewichen war. Ein mächtiger Pinsel war hier geschwungen worden
und hatte im Bemühen, das alte Gemälde zu restaurieren, ein völlig neues Bild
erschaffen.
    Aber dann, ganz plötzlich stach er mir doch ins Auge ...
Natürlich wußte ich nicht mit endgültiger Gewißheit, ob es sich dabei
tatsächlich um den besagten Brunnen handelte. Doch das eingeschneite Gebilde
von über einem Meter Höhe, faßförmig und offenkundig aus Stein, sah ganz danach
aus. Es wuchs aus der Mitte der Wiese des übernächsten Gartens vor mir empor
wie ein Dekorationselement. Ganz so, wie Paps es geschildert hatte.
    Über die Zickzack-Bahnen der Maueroberfläche lief ich
schnell dorthin, sprang in den Garten und näherte mich vorsichtig dem Ding,
welches in unmittelbarer Sichtweite wie ein umgedrehter Heuballen wirkte. Dabei
erinnerte ich mich an Paps' Worte, die er bei seiner Flucht vor den Jägern
ausgesprochen hatte: ›Wenn ich auf den Brunnenrand sprang und der Zugang
tatsächlich verschlossen war, dann gab ich für die Jäger ein Ziel wie auf einem
Präsentierteller ab. Und falls der Brunnen tatsächlich offenstand und ich mich
in die Röhre fallen ließ, landete ich letztendlich im Wasser und würde
irgendwann ganz gemütlich darin ersaufen.‹
    Und ich, was sollte ich jetzt tun? Ganz einfach... Ich
hechtete nach oben an den Rand des steinernen Fasses und vollführte dort eine
Vollbremsung. Na ja, mich verfolgten auch nicht zehn durchgeknallte Rentner mit
Gewehren im Anschlag. Die gute Nachricht: Es handelte sich in der Tat um einen
Brunnen, dem Anschein nach wirklich um den, in dem der gute alte Francis seine
Jugend verbracht hatte. Die Bewohner des angrenzenden Hauses waren vermutlich
stolz darauf, dieses antiquarische Schmuckstück zu besitzen, wenn auch in der
längst verdorrten Ausführung. Die schlechte Nachricht: Obwohl ich den Kopf tief
in den Schacht hineinsteckte, gähnte mir nichts weiter als unergründliche
Finsternis und Eiseshauch entgegen. Aus der unendlich scheinenden Tiefe glimmte
nicht einmal ein schwacher Lichtschein empor, wie ihn Paps damals während
seines freien Falls gesehen hatte. Die letzte Kerze war also tatsächlich ein
für allemal erloschen, nachdem der einzige Überlebende des Massakers die
Brunnenhöhle verlassen hatte.
    Da ich die genaue Ausgangsposition des von innen
abgehenden Verbindungstunnels nach draußen nicht kannte, ich also keine andere
Zugangsmöglichkeit ins Reich der gewesenen Dudes besaß, blieben mir nur zwei
Alternativen: Entweder zog ich unverrichteter Dinge wieder ab und beendete fürs
erste das eh aus einer Schnapsidee geborene Detektivspiel, was auch am
vernünftigsten schien. Oder aber ich tat es Paps gleich und ließ mich einfach
in den Brunnen fallen, in der Hoffnung, daß mich unten immer noch ein weiches
Polster aus hereingewehten Pflanzenresten auffing. Angesichts der vielen Jahre,
die übers Land gezogen waren, und der damit einhergegangenen tausenderlei
Veränderungen, war es eine ziemlich gewagte Hoffnung.
    Was soll ich sagen, ich tat's! Bevor ich mich auf einen
quälenden Entscheidungsprozeß einließ und bevor ich mir hinterher hämische
Kommentare wegen meiner angeblichen Feigheit anhören mußte, tat ich den Schritt
in den sprichwörtlich luftleeren Raum. Was übrigens Sprichwörter betrifft: Wie
der Vater, so der Sohn.
    ›Ich fiel und fiel den Brunnenschacht hinunter, und
lebensmüde oder auch todesmutig wie ich war, riskierte ich dabei einen Blick
abwärts, um meinem Exitus ins Angesicht zu schauen. Doch weder plätscherndes
Naß noch ein finsterer Orkus kam mir in rasender Geschwindigkeit entgegen,
sondern ...‹ Nein, im Gegensatz zu Paps kam mir nicht das Licht etlicher
brennender Kerzen entgegen, sondern Dunkelheit und noch mehr Dunkelheit. Also
war die Höhle seitdem tatsächlich nicht mehr bewohnt gewesen. Einige Sekunden
mit mörderisch erhöhter Herzfrequenz später stellte ich jedoch fest, daß sich
das Grundlegende im Untergrund nicht verändert hatte. Denn ich landete wie
ersehnt in einem Bett aus vertrockneten Pflanzenresten. Diese flogen bei meinem
Aufprall um mich her wie bei einer Explosion. Unendlich dankbar, daß ich den
Sturz aus solcher Höhe überhaupt überlebt hatte, doch immer

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