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Felidae 06 - Schandtat-neu-ok-22.02.12

Felidae 06 - Schandtat-neu-ok-22.02.12

Titel: Felidae 06 - Schandtat-neu-ok-22.02.12 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirinçci
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das Monster, das dieses Massaker angerichtet hatte, während er mal eben für
eine Stunde draußen gewesen war. Eloi hatte sich vielleicht das halbe Hirn
weggekifft, sein Instinkt jedoch war in einem einwandfreien Zustand gewesen.
Während er, der Klugscheißer Francis, sich an intellektuell mehr Eindruck
schindenden Erklärungen für die Mordserie versucht hatte, hatte Eloi sich
einfach auf sein Bauchgefühl verlassen. Und das, so gestand sich Paps nun ein, war
viel genialer gewesen als all die spitzfindigen Fürze zusammen, die ihm
entwichen waren. Wie hatte er nur so dumm sein können? Natürlich verbarg sich
der Killer nirgendwo anders als in der verfallenen Villa dort draußen! Warum,
wieso, weshalb er es auf eine unschuldige Tiergemeinschaft abgesehen hatte,
spielte keine Rolle. Erkläre mal einem Verrückten, daß er Verrücktes tut. Eloi
hatte von Anfang an recht gehabt. Sein einziger Fehler war gewesen, daß er sich
von einem Grünschnabel mit Geniegehabe blenden und so von dem richtigen
Verdacht auf den wahren Mörder hatte ablenken lassen. So niederschmetternd es
auch klang, dieser Massenmord wäre wahrscheinlich vermeidbar gewesen, wenn es
einen gewissen Francis unter den Dudes nicht gegeben hätte. Man hätte Vorsichtsmaßnahmen
treffen können.
    Schuld, Trauer, noch mehr aber Haß, unvorstellbarer Haß
auf den diabolischen Fremden in der Schrottvilla überwältigten Paps, und
plötzlich sann er nach nichts anderem als nach Rache. Rache ebenfalls
unvorstellbaren Ausmaßes und den Wunsch nach Vergeltung. Jetzt gleich! Wie er
diese Rache als ein kleines Tier gegenüber einem gefährlichen Menschen ausüben
sollte, wußte er im Moment freilich nicht. Doch wenn zwei Dinge sich einfach
nicht zwischen zwei noch so spitze Lauscher quetschen ließen, dann hießen sie
Rache und Logik, zumal wenn sie sich zwischen den Lauschern eines jungen Mannes
in die Quere kamen. Also kehrte Francis dem Brunnen für immer den Rücken und
ging wieder in den Tunnel zurück, um seine Ersatzfamilie und noch mehr seine
ungeborenen Kinder zu rächen.
    An dieser Stelle hatte der Alte die Erzählung abgebrochen.
Das stundenwährende Heraufbeschwören der Vergangenheit hatte sichtlich an
seinen Nerven und Kräften gezehrt. Er öffnete für mich eine längst versiegelte
Tür, hinter die er niemals wieder hatte blicken wollen. Nun aber ging es nicht
mehr weiter, die Erinnerungsarbeit mußte eine Pause einlegen. Bevor er vor dem
fast erlösche nen Kamin die Augen zum Nachtschlaf schloß, versprach er noch,
gleich morgen die Fortsetzung zu liefern.
    Ich jedoch war von dem Gehörten total aufgerieben, um
nicht zu sagen, ich war in fiebrige Unruhe versetzt. An Schlaf war nicht zu
denken. Nun, da ich mich durch die frisch verschneite Gartenlandschaft kämpfte,
fragte ich mich, was mich wohl an dem beschriebenen Ort erwartete. Immerhin
waren ja sechzehn Jahre ins Land gegangen, vielleicht sogar siebzehn. Ich jagte
einem alten Abbild nach, das in der Realität vermutlich gar nicht mehr
existierte. Und wenn es den Brunnen tatsächlich noch geben sollte, war er
inzwischen sicher bis zur Unkenntlichkeit entstellt. Welche Schlüsse in bezug
auf das Massaker konnte ich nach all der Zeit daraus noch ziehen? Ich gebe zu,
ich verhielt mich nicht weniger irrational als der junge Francis. Dennoch hatte
ich das deutliche Gefühl, daß an der ganzen Geschichte etwas nicht stimmte. Und
daß ich auserwählt war, den Fehler zu finden. Dieses Gefühl hatte ich von
Anfang an gehabt. Blieb natürlich noch die Frage, wen das alles überhaupt noch
interessierte. Ich gab mir selbst die Antwort: mich!
    Schon zum x-ten Mal in dieser Nacht schleuderten mich
meine Hinterpfoten auf eine schneeberieselte Gartenmauer. Oben ließ ich den
Blick kreisen. Wenn ich Paps richtig verstanden hatte, befand ich mich nun an
dem Ort, an dem alles seinen Anfang genommen hatte. Mein Atem stieg in die
frostige Luft wie Zigarettenqualm. Vor meinen Augen breitete sich ein perfektes
Vbrweihnachtsidyll aus, ein eingeschneites Puzzle aus unter dem Sternenlicht
bläulich schimmernden Mauern und ganz weiß gewordenen Bäumen und Wiesen, die
wie von einem leuchtenden Teppich bedeckt schienen. In dieser kitschigen
Winter-Ansichtskarte war es unmöglich herauszufinden, wo ein Brunnen stehen
könnte. Falls es überhaupt noch einen Brunnen gab. Denn wenn ich mich so umschaute,
unterschied sich die Gegend mittlerweile vollkommen von dem Endzeitszenario
jener Jahre. Die zerfallenen Mauern hatte man

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