Felidae 06 - Schandtat-neu-ok-22.02.12
Verabredungen in dem Tunnellabyrinth.
Der junge Francis inhalierte Madams bezaubernden Duft, und er konnte sich nicht
satt sehen an ihrem kurzen dicken Schwanz, der wild auf- und abfuhr, wenn sie
gemeinsam turtelten. Bald geriet sie in Hitze, und ihr betörendes Gewinsel
hallte durch das ganze Gewölbe wie Sirenengesang. Doch gleichzeitig mit diesem
Weckruf, der schwärmerisch als das Erwachen der Lust bezeichnet wird, lernte
Paps einen höchst unangenehmen Nebenaspekt der ganzen Sache kennen, sozusagen
die Kehrseite der Medaille. Denn nicht allein ihm jagte der Starkstrom der
Natur durch jede einzelne Faser, wenn die glutäugige Madam ihre Liebeslieder
anstimmte, sondern mindestens zehn anderen Kerlen in der Umgebung auch.
Natürlich war unser Held jung und stark – oder sagen wir besser, die anderen
Junkies klebten schon ein ganzes Weilchen länger an dem Stoff und waren dadurch
ziemlich geschwächt.
Dennoch erlebte Paps zum ersten Mal, wie in der Höhle ein
wahrer Gladiatorenkampf losbrach, wenn das Objekt der Begierde sich inmitten
der lüsternen Gaffer auf dem Boden wälzte, abwechselnd schnurrte, knurrte und
schrie, teuflische Pheromone absonderte, den Schwanz in die Höhe schwingen ließ
und ihr kostbarstes Gut präsentierte und so alle in ein Stimmungsgemisch aus
Leidenschaft, Aggression und Wahnsinn stürzte. Natürlich blieb Held Fancis
stets der Sieger. Aber für diesen Sieg floß sein Blut in Strömen, und viele
Kratzer, ja bisweilen tiefe Wunden vor allem im Gesichtsbereich blieben dabei
unvermeidlich. Einige markante Narben zeugten noch heute von dem »Liebesspiel«.
Paps erinnerte sich trotzdem gern an diese kurze und doch
so aufregende Zeit zurück. Sie enthielt alles, was ein junges Herz begehrte:
Romantik, Kraftproben, einen weisen Mentor, der ihn in die Geheimnisse des Intellekts
einführte, und last not least jede Menge genialen Stoff! Doch eines Abends
wurde er von dem seltsamen und zugleich unerschütterlichen Gefühl heimgesucht,
daß seine Kindheit nun unwiderruflich hinter ihm lag und seine Entwicklung zum
Manne abgeschlossen war. Er stand inmitten der Brunnenhöhle und ließ den Blick
kreisen. Unter den brennenden Kerzen und im Schatten der Büchertürme hatten
sich viele Dudes schlafen gelegt. Sie wirkten auf ihn wie die Ausbeute eines
fleißigen Pelzjägers. Silber-Tabby, Chocolate-Chinchilla, Smoke,
Schildpatt-Shaded, Lilac-Lavender, es war ein Festival der Farbschläge und
Haarstrukturen. Und all diese schlaff wie Brotteige ruhenden und zufrieden
ihren Minzeträumen nachhängenden Wesen, mit denen es das Schicksal recht schlecht
gemeint hatte, waren seine Freunde. Bis auf Madam. Sie war mehr als das. Das
Schneeflöckchen lag wie der weißeste Engel auf einem der Buchhaufen, hatte sich
zu einem Halbkreis zusammengerollt und ließ sich vom Licht einer fast
heruntergebrannten Kerze bescheinen. Trotz ihrer gekrümmten Haltung war
deutlich ihr angeschwollener Bauch zu erkennen. Paps stellte nicht ohne Stolz
fest, daß er zu diesem Zustand einen erheblichen Teil beigesteuert hatte. Die
Narben in seinem Gesicht, die er wie Orden vor sich her trug und die ihn immer
noch schmerzten, gemahnten ihn daran. Es waren seine Kinder, die sie in sich
trug. Er atmete mit einem zufriedenen Seufzer aus.
»Na, Dude, siehst ganz schön fertig aus.« Eloi wedelte mit
einem Minzestengel vor Paps' Gesicht wie Sultan Karl Lagerfeld mit seinem
Fächer. Er hatte es sich auf dem höchsten der Büchertürme bequem gemacht und
lächelte maliziös auf ihn herab. Seine ozeanblauen Augen funkelten intensiv wie
Signalfeuer, und seine wie zernagt aussehenden Lauscher zuckten in gemächlicher
Regelmäßigkeit. Irgend etwas im rauchfarbenen Maskengesicht des zerrupften
Beinahe-Siamesen ließ darauf schließen, daß er inzwischen mehr über seinen
Eleven wußte als der selber. Vielleicht hatte er sich ja auch den Minzestengel
eine Spur zu lange in die Nase gesteckt. Danach sah man in der Regel meistens
total erleuchtet aus.
»Wieso?« erwiderte Paps. »Ich habe mich noch nie so wohl
gefühlt.«
»Vielleicht habe ich mich mißverständlich ausgedrückt,
Dude. Ich meinte, deine körperliche Entwicklung ist abgeschlossen, auch die,
was den Unterhosenbereich angeht. Und du hast durch das Bücherstudium eine
geistige Reife erlangt, mit der du für dein weiteres Leben bestens gerüstet
bist. Mit einem Wort: Siehst ganz schön fertig aus, Dude!«
Paps schaute voller Dankbarkeit zu seinem Lehrer auf. »Und
dafür gebührt dir
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