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Felidae 06 - Schandtat-neu-ok-22.02.12

Felidae 06 - Schandtat-neu-ok-22.02.12

Titel: Felidae 06 - Schandtat-neu-ok-22.02.12 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirinçci
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stillgelegten
Schlachthauses, in denen vorsintflutliches medizinisches Instrumentarium
lagerte. Vor allem blieb mir eine hübsche Anzahl von verrosteten, länglichen
Gasflaschen im Gedächtnis haften, deren Inhalt wohl aus Gemischen für die
Narkose oder für andere, undefinierbare Zwecke bestand.
    Schließlich verschwanden alle in einem kleinen Eingang,
der keine Tür besaß. Während ich mich vorsichtig dem Türbogen näherte, vernahm
ich von drinnen ein ohrenbetäubendes Poltern und Refizuls verzweifelte Schreie.
Es hörte sich an wie eine Teufelsaustreibung. Obwohl ich keine rechte Lust mehr
hatte, mich als Voyeur des Grauens zu betätigen, trieb mich die verdammte
Neugier schlußendlich bis zu der Schwelle, und ich lugte um die Ecke.
    Es war ein Bild wie aus einem Horrorcomic. Die von einer
nackten Glühbirne erleuchtete Kammer war vollgestopft mit Gerätschaften, die
allem Anschein nach aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg stammten.
Meßinstrumente, allesamt trübe Kästen, in deren Anzeigen es wie bei Opas
Dampfradio bräunlich glühte. Weinrote Dioden schimmerten geheimnisvoll, und
rote Nadeln zuckten nervös. Klobige Hebel und untertellergroße Drehknöpfe schmückten
zylinderförmige Apparaturen. Geriffelte Schläuche und Kabel wanden sich wie
eine Armee von gefährlichen Schlangen in den Eingeweiden des metallenen
Gerümpels und verliehen ihm etwas von einem morbiden Sumpf. Der ganze Ort war
von einem elektrischen Brummen erfüllt.
    Die Ärzte hatten Refizul die Zwangsjacke abgenommen und
ihn mit an der Stirn, am Brustkorb und an den Beinen verlaufenden Lederriemen
auf einer Untersuchungsliege festgezurrt. Ein Gummiknebel war ihm in den Mund
gerammt worden, so daß er außer gepreßten Uhhs! nichts herausbrachte. Dr.
Gabriel und Dr. Michael tunkten gerade tennisballgroße Tupfer in eine Schüssel
Wasser und befeuchteten damit die Schläfen des Zwangspatienten. Derweil trat
Dr. Uriel mit einer Art Geburtszange aus dem Hintergrund. Von den
kunststoffisolierten Griffen des riesigen Dings führten Kabel in eines der
altersschwachen Geräte. Nachdem der Alte hinreichend leitend gemacht worden
war, wurde die Zange an seine Schläfen angesetzt. Dr. Gabriel machte ein
Zeichen zum Zurücktreten und drückte dann genüßlich einen hinter ihm
befindlichen Hebel abwärts. Es dauerte eine Weile, bis sich die
Uralt-Technologie mit genügend Elektrizität aufgeladen hatte. Dafür war das
Resultat um so spektakulärer. Der durch die Zange fließende Strom bewirkte
augenblicklich einen Energieabfall, und das eh an eine Funzel erinnernde Licht
der Glühlampe wurde noch wesentlich schwächer. Die Geräte ringsum gaben ein
Stöhnen von sich; kurzzeitig trat ein Stroboskoplicht-Effekt ein, der alle
Gesichter grotesk entstellte.
    Durch den Elektroschock bäumte sich Refizuls knochiger
Körper wie von Dämonen malträtiert auf, zuckte unwillkürlich und erschauerte.
Sein Gesicht verzerrte sich im Krampf bis zur Unkenntlichkeit, und es stiegen
kleine Rauchschwaden aus seinen Nasenlöchern auf. Seine Gesichtshaut färbte
sich krebsrot, und die gequälten Laute, die er von sich gab, hörten sich an wie
das Stöhnen unglücklicher Seelen in der Hölle.
    Ich konnte gegen dieses Unrecht nichts, aber auch rein gar
nichts ausrichten. Und so ließ ich meinen Tränen freien Lauf und weinte um
einen Mann, einen guten Menschen, der nichts anderes wollte, als die längst
überfällige Harmonie zwischen Mensch und Tier herzustellen, und dafür nun so
furchtbar bestraft wurde. Ich weinte auch um meine Freunde und meine geliebte
Madam, die diese Elektroschock-Freaks bestimmt auch auf dem Gewissen hatten.
Und zum ersten Mal in meinem jungen Leben ging mir auf: Tränen sind immer das
Ende ...
     
    Ich verdrängte die bitteren Tränen, die mich aus
dunkelster Vergangenheit zu überwältigen drohten. Allmählich kamen Blaubart und
ich in die Nähe der Gegend, in der sich der Garten mit dem Brunnen befand.
Siebzehn Jahre lang hatte mich eine panische Scheu davon abgehalten, hierher
zurückzukehren. Zu sehr waren die Erinnerungen mit Bildern des Entsetzens
verbunden. Und nun, da das Heute auf das Gestern treffen sollte, war es wieder
ein schlimmer Anlaß, der den Kreis schloß. Es sei denn, Junior pennte
gegenwärtig tatsächlich in irgendeinem Keller, träumte von rolligen
Sommerschönheiten und hätte sich wahrscheinlich vor Lachen selbst bespritzt,
wenn er uns beiden Alten bei diesem Weltuntergangswetter auf den Dächern hätte
herumturnen

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