Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Felidae 06 - Schandtat-neu-ok-22.02.12

Felidae 06 - Schandtat-neu-ok-22.02.12

Titel: Felidae 06 - Schandtat-neu-ok-22.02.12 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirinçci
Vom Netzwerk:
etlichen Weiterbildungsseminaren hart erarbeitet
hatte. Die Irren und ihre haarigen Betreuer hatten peu â peu ihre konfusen
Selbstgespräche eingestellt. Sie waren den Göttern in Weiß hinterhergeschlichen
und beobachteten den Verlauf der Geschehnisse mit angehaltenem Atem.
    »Nein, eigentlich nicht. Nun ja, ein bißchen, ein
klitzekleines bißchen«, wand sich Refizul, den der Panzermann dem Oberdoc wie
ein entflohenes und wieder eingefangenes Raubtier stolz entgegenhielt. Seine
langen Silberhaare schwangen gleich eines Fransenvorhangs vor seinem
knitterigen Gesicht, welches in der Hoffnung auf Minderung der zu erwartenden
Strafe ganz reumütig geworden war. Ich konnte mir nicht vorstellen, daß solch
psycho-sadistischer Druck auf Patienten überhaupt erlaubt war, doch ein Blick
auf das vorsintflutliche Ambiente lehrte mich eines Besseren.
    »Refizul, ich hätte gedacht, daß der Chef sich in dieser
Sache unmißverständlich ausgedrückt hätte«, fuhr Gabriel fort. Nanu, schon
wieder ein Chef, diesmal ein neuer, der sogar über den sauberen fünf stand?
»Wir hatten doch eine Abmachung. Deiner Entlassung wurde zugestimmt, weil du
zugesichert hast, diese Wahnvorstellung mit dem Tier-sprech nicht
weiterzuverfolgen. Du hast uns dein Wort gegeben. Doch nun müssen wir enttäuscht
feststellen, daß die letzten dreißig Jahre mühsamer Therapiearbeit verlorene
Jahre waren.«
    »Aber das ist keine Wahnvorstellung!« schrie ich den
Doctores unbekümmert zu. »Er kann tatsächlich mit uns reden.« Natürlich war der
Zwischenruf ein Reflex, ein spontaner Protestausbruch in Anbetracht der
schlimmen Demütigung, die diesem bemitleidenswerten Mann widerfuhr. Ich
rechnete nicht damit, daß mich einer von diesen geschniegelten Psycho-Robotern
verstehen würde. Doch mein Ausruf war kaum verhallt, da wandte sich Dr.
Michael, der Silberne, mit seinem Plastikantlitz und seiner
Plastik-Seitenscheitel-Frisur zu mir und warf mir einen vernichtenden Blick zu,
der locker die Sprengkraft einer A-Bombe überbot. Ich konnte mich irren, aber
in seinen mit einem Mal so schwarz wie Rohöl gewordenen Augen vermeinte ich
sogar so etwas wie die hochzüngelnden Flammen eines brennenden Rohölsees zu
sehen. Er hatte mich gehört und meine Worte verstanden. Es handelte sich also
wirklich um ein Komplott, wie Refizul in der Villa beteuert hatte. Er hatte ja
so recht gehabt, als er in dieser Sache dunkle Mächte oder von mir aus einen
inkompetenten Medizinapparat verdächtigte. Gewisse Kreise wollten nicht, daß
die Menschen mit den Tieren sprachen und umgekehrt.
    »Es ist ganz einfach, Refizul«, fuhr Dr. Gabriel fort. Ein
kaum wahrnehmbarer und sehr dubioser Seitenblick zu seinem Kollegen verriet
mir, daß er den nonverbalen Austausch zwischen ihm und mir registriert hatte.
»Dies ist eine Heilanstalt, sie dient dazu, Leuten wie dir zum inneren Frieden
zu verhelfen. Angesichts deines besorgniserregenden Krankheitsverlaufs haben
wir uns große Mühe gegeben. Schließlich wurdest du entlassen, wenn auch nicht
als vollständig geheilt, so doch nach dem Urteil aller keine Gefahr für die
Welt da draußen. Du durftest sogar ein von uns zur Verfügung gestelltes Haus
beziehen.«
    Häh? Hatte Refizul bezüglich der vermoderten Villa nicht
erwähnt, daß er nach seiner Gefangenschaft zurück in das Haus seines Vaters
gekehrt sei? Was redete der Kerl da überhaupt?
    »Vielleicht kannst du dich nicht mehr entsinnen, weshalb
du hier überhaupt eingeliefert wurdest. Oder doch?«
    »Ähm, ja, schon, ja, so in etwa«, stammelte Refizul. Er
hätte in Erwartung der drohenden Bestrafung jetzt sogar zugegeben, daß die
Erdkugel ein Würfel sei. Denn daß eine drakonische Strafe folgen würde, war so
klar wie der Unterschied zwischen Kugel und Würfel.
    »Siehst du, selbst dieses verhängnisvolle Vergehen haben
wir dir verziehen«, sagte Dr. Gabriel. Er sah plötzlich gar nicht mehr wie eine
Schaufensterpuppe aus, sondern wie ein einfühlsamer junger Mann im Dienste
einer Dritte-Welt-Organisation, der Buschmenschen von dem althergebrachten
Brauch des Aufessens ihrer Anverwandten abbringen will. »Du weißt, warum. Weil
wir den freien Willen respektieren. Es ist ein schmaler Grat zwischen dem
freien Willen und dem Wahnsinn und ein noch schmalerer zwischen dem Wahnsinn
und dem Grauen. Stets muß austariert werden, welcher uns gerade umtreibt. Doch
wie heißt es bisweilen vor Gericht so schön: im Zweifel für den Angeklagten. Im
Zweifel geben auch wir stets dem freien

Weitere Kostenlose Bücher