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Felidae 06 - Schandtat-neu-ok-22.02.12

Felidae 06 - Schandtat-neu-ok-22.02.12

Titel: Felidae 06 - Schandtat-neu-ok-22.02.12 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirinçci
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wie aus dem Nichts aufgetaucht waren,
machte die Sache nicht weniger unheimlich.
    »Sucht ihr hier etwas Bestimmtes?« fragte der mittlere
schließlich. Die Stimme hatte etwas vom Klang einer ätherischen Harfe, obwohl
der Kerl der stattlichste von den fünfen war. Er trat hervor und kam langsam zu
uns. Die anderen folgten ihm bedächtigen Schrittes.
    »Scheiße ja, kann man wohl sagen«, erwiderte Blaubart.
»Mein Freund und ich haben heute morgen beschlossen, als erste Spitzohren den
Mount Everest zu besteigen. Und wie ihr seht, ist das erste Training auch ganz
prima verlaufen.«
    »Sehr witzig«, sagte der Abessinier im nicht so witzigen
Tonfall und stoppte vor uns. Aus der Nähe potenzierte sich der erhabene
Eindruck. Das sandfarbene Fell schien zu schimmern, als würde es beständig von
einer unsichtbaren Leuchte angestrahlt. Das Grün der Augen befand sich in
ständiger Bewegung, so daß man sich unwillkürlich an Strömungen unter der
Oberfläche eines Ozeans erinnert fühlte. Die großen Ohren mit den an den Spitzen
wie Dornen emporragenden, schwarzen Härchen bewegten sich in Zeitlupe, als
horchten sie wie ein Radar das gesamte Universum ab. Nun stießen auch seine
vier anderen Kollegen zu ihm und ließen sich auf die Hinterpfoten nieder. Wenn
mich die trüben Lichtverhältnisse nicht täuschten, ging ihr Fell ins Kupferrote
und hell Schokoladenbraune. »Hast du auch etwas anderes als faule Witze auf
Lager, alter Mann?«
    »Scheiße ja, der alte Mann kann dir mal deine
geschniegelte Visage in Fetzen tranchieren. Wie wär's damit, hä? Glaub mir,
Jüngelchen, diese ollen Krallen haben schon so manch Kräftigerem als dir den
Arsch aufgerissen!«
    Der Abessinier schüttelte leise den Kopf, stöhnte und
setzte einen mitleidigen Ausdruck auf.
    »Wo liegt das Problem, Freunde?« fragte ich. »So wie es
aussieht, befinden wir uns auf neutralem Territorium. Oder wollt ihr mir etwa
erzählen, daß ihr regelmäßig hier hochkommt, um nach läufigen Weibchen Ausschau
zu halten? Wir sind nur Reisende. Es gibt überhaupt keinen Anlaß zu
Revierstreitigkeiten. Jeder zieht seines Weges, und alles ist in bester
Ordnung.«
    »Du hast mich nicht verstanden«, sagte der Abessinier, und
er schaute sehr, sehr ernst drein. Sein ganzes Gehabe erinnerte mich an
jemanden, doch mir wollte nicht einfallen, an wen. Nun hatte ich sowieso keine
Muse, einer vagen Erinnerung nachzugehen. »Ich sagte«, wiederholte er, »sucht
ihr hier etwas Bestimmtes?«
    Bevor Blaubart endgültig explodierte, und es sah verdammt
danach aus, als würde eine Explosion unmittelbar bevorstehen, griff ich ein.
»Ja, stell dir mal vor, Mr. Geheimnisvoll, wir suchen tatsächlich etwas
Bestimmtes. Das bestimmte Etwas heißt Junior und ist mein Sohn. Er ist letzte
Nacht verschwunden, und wir vermuten ihn in einem ausgetrockneten Brunnen dort
unten in einem der Gärten. Du brauchst also keine Angst zu haben, daß wir auf
deinem Dach unsere Fahne einpflanzen und es zu einem neuentdeckten Kontinent
erklären. Wenn du uns jetzt freundlicherweise den Weg nach unten zeigen
könntest.«
    »Junior?« Er machte ein grüblerisches Gesicht, als krame
er in seinem Gedächtnis nach. »Ein äußerst phantasieloser Name für einen Sohn,
wenn du mich fragst. Ich glaube, ich kenne den Burschen.«
    Mir klappte der Unterkiefer herunter. »Du kennst Junior?«
    »Ja, meine Freunde und ich kennen jeden, hier und anderswo
auch. Darf ich vorstellen ...« Er vollführte mit der rechten Pfote eine
ausladende Geste. »Haniel, Jafkiel, Camael und Andon. Ich heiße Metathron.« Die
Vorgestellten machten mit dem selbst in diesem grauen Wetter changierenden Fell
und den recht abwesenden Blicken ihren wunderlichen Namen alle Ehre.
    »Seltsame Namen«, sagte ich. »Sind eure Herrchen Ausländer
oder so?«
    »Wie man's nimmt. Aber ist dir auch der Gedanke gekommen,
daß wir uns diese Namen selbst ausgesucht haben könnten? Was das Problem mit
deinem Sohn betrifft, Francis ...«
    »Woher weißt du denn, wie ich heiße?«
    »Ich sagte schon, wir kennen alle. Und dich kennt ja wohl
jeder.«
    »Okay«, brummte ich, »du wolltest etwas über Junior
sagen.«
    »Tja, da können wir dir auch nicht weiterhelfen. Er ist
verloren.«
    »Wie bitte?«
    »Du hast richtig gehört: Ich glaube, da ist nichts zu
machen. Den Kleinen wirst du nie mehr wiedersehen, Francis.«
    Blaubarts Haare richteten sich stachelgleich auf, und
seine blauen Augen schienen sich auf einen Schlag lavarot zu färben. Ganz leise
entstieg

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