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Felidae 06 - Schandtat-neu-ok-22.02.12

Felidae 06 - Schandtat-neu-ok-22.02.12

Titel: Felidae 06 - Schandtat-neu-ok-22.02.12 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirinçci
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Junior. Eben noch haben wir um dein Leben
gebangt, jetzt strapazierst du schon die Nerven eines alten Herrn bis zur
Schmerzgrenze. Wenn ich es nicht besser wüßte, würde ich sagen, du bist der
Teufel. Aber bei einer Sache kann ich dir wirklich weiterhelfen, wenn mich
meine humanistische Bildung nicht im Stich läßt. Der Begriff Lichtbringer ist
nichtjüdischen Ursprungs. In der Antike war Lichtbringer der Name für den
Planeten Venus. Im antiken Babylon wurde die Venus als Tagesstern, Sohn der
Morgendämmerung oder auch Morgenstern bezeichnet. Die römische Mythologie kennt
den Lichtbringer als Sohn von Aurora, der Göttin der Morgenröte. Und in der
griechischen Mythologie hatte diese Göttin einen Sohn, welcher Phosphoros, also
Lichtbringer hieß. Ich erinnere mich an die ersten Zeilen eines Gedichts: Wie
bist du vom Himmel gefallen, du Glanzstern, Sohn der Morgenröte! Wie bist du zu
Boden geschmettert, Überwältiger der Nationen!«
    »Na toll«, sagte ich. »Jetzt weiß ich genauso viel wie
vorher. Heißt der Laden hier nicht auch Morgenröte?«
    »Morgenrot! Ja, das war der Name des zerstörten Klosters.
Wir haben den Namen wegen seines zuversichtlichen Klangs beibehalten. Was es
mit dem Fänger auf sich hat, da kann ich dir leider auch nicht weiterhelfen.
Sicher hat Morlock im Angesicht des Todes einiges durcheinandergebracht und
wirr geredet. Aber willst du nicht lieber erfahren, wie aus dem einstigen
Gefängnis Morgenrot ein Heilsbringer für deinesgleichen wurde?«
    »Ich weiß nicht, Refizul. Bevor ich in Ohnmacht fiel, habe
ich schon so einiges gesehen. Noch mehr solcher Einblicke, und ich falle in
meine letzte Ohnmacht und bin mausetot.«
    Er brach wieder in ein herzhaftes Lachen aus und
streichelte zum Abschluß meinen Kopf. »Das glaube ich nicht. Niemand stirbt
hier ohne meine ausdrückliche Erlaubnis!«
    Der Fahrstuhl kam zum Stehen, und die silbernen Tü ren öffneten sich mit
einem fast unhörbaren Pfff... Heiliger Bimbam! Da war ich vor ein paar Stunden
doch nicht das Opfer irgendwelcher Synapsenverdrehungen in meinem von Schmerzen
ausgelaugten Hirn geworden. Es war alles wahr, was ich hinter den Milchglastüren
gesehen hatte – und ich konnte es immer noch kaum glauben! Refizul und ich
betraten eine Galerie mit Laufgitter, die über ihre Brüstung hinweg eine
fabelhafte Sicht auf das fußballfeldgroße Erdgeschoß erlaubte. Das darin
befindliche Mobiliar bestand ausschließlich aus Designer-Prachtstücken. Da
reihte sich der klassische Thonet-Stuhl an eine Le-Corbusier-Liege in
Löffelchen-Form und ein wie aus Quadern bestehendes Original-Charles-Eames-Sofa
an einen Achille-und-Pier-Giacomo-Castiglioni-Hocker, der einem Fahrradsattel
ähnelte. Tische sonder Zahl von Borge Mogensen, Ettore Sottsass und Philippe
Starck standen wie kleine einladende Inseln im Raum, und schnittige
Apple-Computer der neuesten Generation strahlten um die Wette. Allein um dieses
Interieur finanzieren zu können, mußte man eine Geldbörse vom Volumen einer
mittelgroßen Sparkasse besitzen. Dies bezeugten auch eine Armee kräftiger Kerle
in schwarzen Anzügen und mit dunklen Brillen auf der Nase, die im Abstand von
etwa zehn Metern die hohen Wände säumten. Offenkundig Sicherheitsleute, welche
bei einem Zwischenfall sofort eingreifen würden.
    Doch weniger der Prunk denn das, was sich in dieser
Kombination aus Club und Edelbüro abspielte, versetzte mich in grenzenloses
Erstaunen. Männer und Frauen in den elegantesten Klamotten und Artgenossen, die
selber wie von einer Nobelboutique geliefert zu sein schienen, debattierten
miteinander. Das ganze Szenario weckte Assoziationen an das alte Griechenland,
wo jeweils ein hochgebildeter Lehrer einen Schüler unterrichtet hatte.
Natürlich war nicht alles Sonnenschein. Auf einem der mittleren Tische wurde
ich mit dem grausigsten Anblick meines Lebens konfrontiert. Es war so schlimm,
daß mir vor Abscheu sogar für einen Moment richtiggehend schlecht wurde: Eine
Perser-Dame mit zerzaustem rotem Fell stand vor einem Notenständer auf den
Hinterbeinen und sang tatsächlich »Memory« von Andrew Lloyd Webber!
    »Wer sind all diese Irren, Refizul?« wollte ich wissen,
nachdem ich meine Verblüffung wieder unter Kontrolle hatte.
    »Botschafter!« antwortete er und schritt zu der Treppe,
die von der Galerie nach unten führte. »Sowohl Mensch als auch Tier werden hier
mit den von meinem Vater entwickelten Methoden unterrichtet und dann in die
weite Welt geschickt, um das Erlernte

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