Felidae 06 - Schandtat-neu-ok-22.02.12
müßten,
daß Tiere ebenso eine Seele haben wie Menschen. Und so weiter und so fort.
Deshalb beschloß mein Vater, die Sache im geheimen zu verfolgen, und hat sich
mit einigen Mitstreitern auf diese Insel zurückgezogen. Hier stand einst ein
verlassenes Kloster. Unter dem Deckmäntelchen einer psychiatrischen Anstalt und
einer neuartigen Therapie, bei welcher Tiere in der Behandlung von psychischen
Krankheiten zum Einsatz kommen, arbeitete er dann unauffällig weiter an seinen
Experimenten. In Wahrheit jedoch wurde in der Anstalt fieberhaft an der
universellen Kommunikation geforscht. Aber das Versteckspiel sollte leider von
kurzer Dauer sein.«
Die Aufzugstüren öffneten sich, und wir bestiegen eine
geräumige Kabine, die sich wie ein Königsgemach ausnahm. Ein, wenn mich nicht
alles täuschte, massivgoldener Handlauf, ebenfalls geprägt mit
fratzenschneidenden Dämonengesichtern, führte übers Eck. Die Wände waren mit
rotem Samt ausgeschlagen, und über der Tür prunkte ein Dämonenhaupt, das den
Fahrstuhlgästen die Zunge entgegenstreckte. Refizul drückte den Knopf zum
Erdgeschoß. Dort glaubte ich, jene Szenerie gesehen zu haben, die wohl selbst
die abgedrehteste Phantasie nicht heraufzubeschwören vermocht hätte. Jetzt ging
es abwärts.
»Schnell bekam die Gegenseite Wind von der Sache und wurde
aktiv«, sagte Refizul. In seiner Stimme schwang jetzt tiefste Bitternis. »Mit
Hilfe diverser Ärztevereinigungen und Gesundheitspolitiker, die
selbstverständlich von den besagten Interessengruppen gekauft waren, wurde die
Institution Morgenrot – nein, nicht geschlossen. Im Gegenteil, man fällte ein
viel schlimmeres Urteil über die Forschungseinrichtung und deklarierte sie über
Nacht zu einem richtigen Irrenhaus. Vater und seine Mitstreiter wurden ohne
einen medizinischen Befund und ohne ein juristisches Verfahren zu
gemeingefährlichen Geisteskranken erklärt. Man hatte sie auf einen Schlag
mundtot gemacht und damit ihr Schicksal besiegelt. Sie mußten unter
erbärmlichsten Umständen bis an ihr Lebensende in ihrer eigenen Anstalt
dahinvegetieren. Einige von ihnen wurden irgendwann tatsächlich verrückt. Es
gab viele Selbstmorde damals. Leider hatte ich zu jener Zeit eine Professur im
Ausland inne und konnte mich um den Alten nicht kümmern. Und später, tja
später, da war es wirklich zu spät.«
»Hast du nicht eine wichtige Episode in deinem Bericht
vergessen, Refizul?« warf ich ein. Er kraulte mich mit dem Zeigefinger seitlich
am Nacken, dort, wo wir es besonders mögen. Der Kerl beherrschte diese Kunst in
der Tat meisterlich. Ich hätte vor Wohlbehagen Schlager singen können.
»Welche Episode meinst du?«
»Zufällig weiß ich von Paps, daß dein Paps nach dreißig
Jahren aus der Klapse entlassen wurde.«
»Ach das ...«
Der Zeigefinger am Nacken hielt mit einem Mal inne, und es
kam mir so vor, als hätte sich auch die Geschwindigkeit des Fahrstuhls
schlagartig bis an die Grenze des Stillstands verlangsamt. Sicherlich war dieser
Eindruck unter der Rubrik Sinnestäuschungen zu verbuchen, ausgelöst durch den
Rest der Betäubungssubstanzen in meinen Adern.
»Ja, da hast du wohl recht. Als sie irgendwann meinten,
daß er endgültig gebrochen war und keinen Schaden mehr anrichten konnte, hat
man ihn entlassen. Doch da hatten sie sich geschnitten. Kaum draußen, nahm
Vater seine Forschungen an dem Punkt wieder auf, wo er vor langer Zeit
zwangsweise hatte aufhören müssen. Die Gegenseite hat ihn ziemlich schnell
wieder einkassiert. Ich habe erst Jahre später von seinem Tod erfahren.«
»So ist es, Refizul«, sagte ich. »Mal verliert man, mal
gewinnen die anderen.« Der Fahrstuhl schien nun wieder in normaler
Geschwindigkeit zu sinken, und auch der Zeigefinger hatte seine Massagearbeit
in meinem Nacken wieder aufgenommen. »Paps hat aber noch von dieser
abgewirtschafteten Villa erzählt, in der der alte Refizul nach seiner
kurzfristigen Entlassung unterkam. Ich habe den Kasten besichtigt. Also, wenn
du mich fragst, würde ich meinen Bausparvertrag dafür nicht gerade verpfänden.
Da hat sich in all den Jahren nichts getan. Wem gehört die Ruine überhaupt?«
Der Finger an meinem Nacken zuckte nervös. »Keine Ahnung.«
»Morlock hat vor seinem Tod von einem Lichtbringer
gesprochen, wogegen er seinen eigenen Erzeuger als einen Fänger bezeichnete.
Kannst du mit diesen beiden Begriffen etwas anfangen?«
»Du scheinst ja deinem Detektivvater geradezu aus der
Schablone geschlüpft zu sein,
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