Felidae 06 - Schandtat-neu-ok-22.02.12
einfach die Worte.
»Übertreibst du es nicht ein wenig, Refi?« fragte ich, als
ich die Sprache wiedergefunden hatte. »Ich meine, das Ganze sollte doch eher so
etwas wie ein Motivationsritual sein und kein Blutbrüderschafts-Schabernack für
Winnetou-Fans.«
»Im Gegenteil, in dieser Angelegenheit kann man nicht
genug übertreiben, mein Lieber.« Seine Strahleaugen funkelten wieder feurig,
und das Habichtgesicht mit der mediterranen Bräune wurde von unwillkürlichen
Zuckungen heimgesucht. Der Raum war mit einem Male von einem unbeschreiblichen
Geruch erfüllt, dem etwas Scharfes anhaftete. Fast kam es mir so vor, als ob
sogar die schwache Glühlampe flackerte. Oder hatte sich eine schwarze Wolke vor
den Vollmond geschoben, so daß das Silberlicht aus dem Kerker entwich wie ein
Blatt weißes Papier, das durch den Spalt unter der Tür weggezogen wird? Wahrscheinlich
war das alles nur pure Einbildung, verursacht durch die buchstäblichen irren
Umstände. Wie aus weiter Ferne vermeinte ich eine hallende Stimme zu vernehmen,
deren Wortlaut ich zwar nicht verstand, der jedoch etwas seltsam Warnendes
innewohnte.
Unvermittelt wurde ich von der Seite gepackt und in den
Klammergriff genommen, und da Refizul immer noch voll fickeriger Leidenschaft
vor mir stand, konnte es sich bei meinem Bezwinger nur um den Beinahe-Glatzkopf
handeln.
»Hey, das ist kein Spaß mehr, Refi!« rief ich.
»Ist es auch nicht, Dude. Halt still, es wird dir nichts
passieren.«
Er beugte sich blitzschnell über mich. Danach spürte ich
an der rechten Flanke meines Hinterns ein Kratzen und Ziehen und vernahm
gleichzeitig ein schabendes Geräusch. Schnell war klar, daß er mich dort mit
dem Rasierklingenende seines komischen Instruments barbierte. Die ganze Aktion
tat seltsamerweise überhaupt nicht weh — bis es plötzlich doch höllisch weh
tat. Ich schrie auf und warf ihm sämtliche Flüche an den Kopf, die mir in
dieser unmöglichen Situation einfielen. Schließlich begann ich zu winseln und
wollte wissen, was er da verdammt noch mal trieb.
»Ich mache dich gerade zum reichsten Tier der Welt, mein Freund!«
erwiderte er gutgelaunt.
»Vielen Dank! Aber muß sich das unbedingt so anfühlen, als
küsse mein Arsch gerade ein glühendes Bügeleisen?«
»Leider ja. Ich ritze die Zahlen-Buchstaben-Kombination in
deinen Hintern. Die Wunden werden bald verheilen und dann markant vernarben,
und binnen kurzer Zeit wird wieder dein hübsches Fell darüber wachsen. Doch
falls du irgendwann etwas Kleingeld brauchen solltest, mußt du nur diese Stelle
freilegen, anhand eines Spiegels den Code ablesen und übers Telefon die Summe
einfordern.«
»Vielleicht sind diese Elektroschocks ja doch zu etwas
nutze, Refi. Du machst ein Aufheben um die Sache, daß es in der Tat an Wahnsinn
grenzt.«
Mit einem Mal hörte der große Schmerz auf, wobei der
kleine Schmerz, ein leichtes Nachbrennen, weiterhin nachwirkte. Von völliger
Schmerzfreiheit konnte also keine Rede sein, aber auch nicht davon, daß der
alte Mann mit dieser schrulligen Maßnahme beabsichtigt hatte, mir wirklich weh
zu tun. Sein glatzköpfiger Helfer setzte mich wieder auf dem Tisch ab. Aus den
Augenwinkeln registrierte ich, daß er mit seinem seelenlosen Ausdruck und den
eckigen Bewegungen einer ferngesteuerten Puppe ähnelte. Seine gnadenlose
Einsilbigkeit und die wie unter Schock aufgerissenen Augen ließen mich
frösteln.
Durch die Arschritzerei hatte sich neben dem Vertrag auf
dem Tisch nun eine kleine Lache meines Blutes gebildet. Refizul ließ sein
Stift-Ding in den Falten seines Nachthemdes verschwinden, wohlwissend, mit
welcher Technik meinesgleichen seine Signatur aufzusetzen pflegt.
»Darf ich bitten«, sagte er und breitete vor mir das von
ihm schon unterschriebene letzte Blatt aus. »Vergiß bitte nicht, die richtige
Tinte zu benutzen.«
Obwohl mich ein mulmiges Gefühl plagte und mir schwante,
daß jegliche schriftliche Manifestation des eigenen Ichs früher oder später
Konsequenzen nach sich ziehen würde, klinkte ich eine Kralle der rechten Pfote
aus und tunkte sie in die Blutlache. Über dem Papier hielt ich jedoch kurz
inne. »Eigentlich sollte man ja keinen Vertrag unterschreiben, den man nicht
gelesen hat. Aber ich vertraue dir, Refizul.«
»Das kannst du auch, mein Freund. Und weißt du, warum?
Weil ich inzwischen fertig mit den Menschen bin. Die letzte Schlacht dreht sich
nur noch um euch – die Tiere.«
Das ergab genausowenig Sinn wie dieser blöde Vertrag. Aber
da
Weitere Kostenlose Bücher